„Ägypten droht neues Blutbad“

Internationale Vermittlungsversuche gescheitert. Regierung in Kairo beklagt Einmischung.
KAiro. (VN-ebi, apa) Ägypten sei nur „Wochen oder Tage“ von einem kompletten Blutbad entfernt, erklärte US-Senator John McCain in einem TV-Interview. Auch er nahm an den Gesprächen zur Beilegung der Krise im Land teil, die gestern für gescheitert erklärt wurden. Das Büro des Übergangspräsidenten Adli Mansur machte die Muslimbrüder des abgesetzten Machthabers Mohammed Mursi dafür verantwortlich. Damit stehen sich Islamisten und Militär weiterhin unversöhnlich gegenüber. Spitzendiplomaten aus den USA, der EU und den arabischen Ländern hatten in den vergangenen vier Tagen versucht, die Lage in Ägypten zu entschärfen. Sie ist seit dem Umsturz durch das Militär stark polarisiert. Die Muslimbruderschaft versucht mit Massenkundgebungen und Dauerprotesten zu erreichen, dass Mursi wieder in sein Amt eingesetzt wird. Die neue Übergangsregierung lehnt das kategorisch ab und dürfte dabei auch die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich haben.
Über 250 Tote seit dem Sturz
Seit dem Sturz Mursis am 3. Juli sind bereits mehr als 250 Menschen ums Leben gekommen. Die jüngsten Straßenschlachten bei denen mindestens ein Mensch getötet wurde, ereigneten sich in der Nacht auf gestern in Alexandria. Fast 50 weitere Personen wurden verletzt. Mehrere Führungspersönlichkeiten der Muslimbruderschaft sind in Haft. Mursi wird an einem unbekannten Ort festgehalten. Neben den USA fordert auch die EU seine Freilassung. Übergangspräsident Mansur wies diese Forderung als „inakzeptable Einschmischung in die innere Politik“ zurück.
„Geduld nähert sich dem Ende“
In der vergangenen Woche stand die Übergangsregierung kurz davor, die beiden größten Protestlager der Mursi-Anhänger in Kairo mit Polizeigewalt räumen zu lassen. Dort halten sich permanent mehrere Tausend Menschen auf, die bleiben wollen, bis Mursi wieder im Amt ist. Die internationale Gemeinschaft befürchtet im Falle einer gewaltsamen Räumung ein neues Blutvergießen mit unabsehbaren Folgen. Die USA, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate sowie die EU bemühten sich deshalb um eine gütliche Einigung, die aber nun vom Tisch sein dürfte. Bernardino Leon, der Sondergesandte der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton, blieb allerdings vorerst noch in Kairo. Zunächst war nicht klar, was die ägyptischen Machthaber nun planen. Der Übergangspremier Hasem al-Beblawi erklärte, dass man „gegen Gewalt und Terrorismus“ vorgehen werde. Die Geduld der Regierung nähere sich ihrem Ende.
In Ägypten beginnt heute – wie auch in anderen Teilen der muslimischen Welt – das Fest des Fastenbrechens, das auf den Fastenmonat Ramadan folgt. Beobachter gehen davon aus, dass es während der dreitägigen Feiertagsperiode zu keinen dramatischen Aktionen kommt.