„EU muss stärker auftreten“

Politik / 11.08.2013 • 21:40 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Die Außen- und Sicherheitspolitik müsse wie auch die Entschuldung vorangetrieben werden, so Staatssekretär Reinhold Lopatka. Foto: APA
Die Außen- und Sicherheitspolitik müsse wie auch die Entschuldung vorangetrieben werden, so Staatssekretär Reinhold Lopatka. Foto: APA

Lopatka fordert Erweiterung um Westbalkan und hofft, dass die EU auch von den USA bald ernst genommen wird.

Wien. Die ÖVP präsentierte am Freitag ihr Wahlprogramm und trat dabei für ein starkes und ernst zu nehmendes Europa ein. In diesem Zusammenhang plädierte Staatssekretär Reinhold Lopatka (ÖVP) im VN-Gespräch für die Fortsetzung des Erweiterungsprozesses und somit für den EU-Beitritt aller Westbalkan-Länder bis 2025. Außerdem müsse die Entschuldung vorangetrieben, aber gleichzeitig investiert werden. Die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit soll jedoch weiterhin Aufgabe der Nationalstaaten bleiben.

Im Wahlprogramm plädiert die ÖVP dafür, die EU bis 2025 um die Westbalkan-Länder zu erweitern. Warum nicht die bestehende EU stärken, wie sie ist?

ReiNhold Lopatka: Die Nichterweiterungskosten wären deutlich höher. Die Anstrengungen am Westbalkan rechtstaatliche Systeme aufzubauen und die organisierte Kriminalität zurückzudrängen, sind erfolgreicher, wenn man den Staaten eine Aussicht auf den Beitritt gibt. Serbien und Kosovo wären nie so weit, wenn sie diese Perspektive nicht hätten.

Wirtschaftlich ist eine EU-Erweiterung auch tragbar?

Lopatka: Natürlich brauchen die Staaten zu Beginn Mittel, um Strukturen aufzubauen. Aber nach einer gewissen Zeit holen sie enorm auf, wie wir es im Baltikum sehen. Rumänien und Bulgarien haben wir zu früh aufgenommen. Die EU hat daraus gelernt. Bei Kroatien (Anm.: Beitritt im Juli 2013) gab es bereits strengere Auflagen.

Sie fordern auch eine „maßgeschneiderte Partnerschaft“ mit der Türkei. Wie rechtfertigen Sie das in Hinblick auf die derzeitige Vorgehensweise gegen Demonstranten?

Lopatka: Ich fordere ja keinen Beitritt. Die Türkei ist aus vielen Gründen noch nicht reif dafür. Eine wirtschaftliche Zusammenarbeit ist aber notwendig.

Der Wirtschaftsraum soll also gestärkt werden. Sollte die EU dann nicht auch mehr in die Wirtschaft der Mitgliedsländer investieren, anstatt zu sparen?

Lopatka: Wir müssen die Balance finden. Das ist leicht gesagt und schwierig umgesetzt. Im Vordergrund muss die Entschuldung stehen.

Einsparungen müssen gemacht werden. Das will die SPÖ zum Beispiel nicht.

Also weniger Schulden machen, aber gleichzeitig mehr investieren? Ist das kein Widerspruch?

Lopatka: Nein. Die Entschuldung darf nicht dazu führen, dass alle Investitionen eingefroren werden. Investitionen in die Wirtschaft bringen neue Steuereinnahmen. Sie können nicht allein mit Krediten getätigt werden, die wir uns nicht leisten können. Mittel, um das Pensionsalter zu senken, wären nicht zu rechtfertigen. Es ist immer die Frage, wohin das Geld fließt. Die ÖVP tritt für stärkere Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie für die Förderung kleiner und mittlerer Betriebe ein.

Und Investitionen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit? Das wird – in Bezug auf die EU – im ÖVP-Wahlprogramm nicht angesprochen.

Lopatka: Jugendarbeitslosigkeit muss nationalstaatlich bekämpft werden. Die EU hat in diesem Bereich keine Kompetenzen. Sie hat auch nicht das Geld. Für sechs Millionen arbeitslose Jugendliche will die EU bis 2016 acht Milliarden Euro einsetzen. Im Vergleich dazu bekam das AMS für die in Österreich rund 330.000 Menschen ohne Arbeitsplatz ein Budget von 1,04 Mrd. Euro für 2013.

Und die EU kann nichts zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit beitragen?

Lopatka: Es müssen auf EU-Ebene zuerst Kompetenzen geschaffen werden. Momentan ist alles nationalstaatlich geregelt, unter anderem die Lehrlingsausbildung und arbeitsrechtliche Regelungen. Hier gibt es andere Bereiche, die vorrangig auf EU-Ebene behandelt gehören.

Welche Entscheidungen sollen denn auf europäischer Ebene getroffen werden?

Lopatka: Wo es möglich ist, müssen wir die Dinge weiterhin auf nationalstaatlicher Ebene regeln. Wichtig ist es aber auch, die EU weiterzuentwickeln – allerdings mit Maß und Ziel. Auf EU-Ebene müssen wir unbedingt die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik stärken. Europa muss nach außen hin stärker auftreten – zum Beispiel bei der Abhöraffäre. Nur dann werden uns die USA ernst nehmen.

Die Außen- und Sicherheitspolitik kann aber nicht alles sein.

Lopatka: Auch die Banken- und Wirtschaftsunion müssen wir vorantreiben. Bei einer gemeinsamen Währung muss es auch entsprechende Rahmenbedingungen geben. Das hat die Krise gezeigt.

Also muss sich die EU in diesem Bereich weiterentwickeln?

Lopatka: Es ist wichtig, dass wir zu einer gemeinsamen Bankenaufsicht kommen, sodass die gleichen Spielregeln herrschen und wir die Banken auf das gleiche Niveau bringen.

Wäre es wünschenswert, noch weitere Schritte gegen Spekulation zu setzen?

Lopatka: Das kann man schon fordern, die Forderung ist richtig. Sinn macht sie aber nur, wenn Spekulation weltweit geregelt wird. Die Finanztransaktionssteuer (Anm.: Steuer auf den Handel mit Aktien, Anleihen und Derivaten) ist ein Beginn. Nun müssen wir sie umsetzen und weitere Staaten dafür gewinnen.