„Auf beiden Seiten sind Tauben und Falken“

Politik / 01.02.2015 • 22:45 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Klein-Valeriya mit ihrer Mama im Zeltcamp an der russisch-ukrainischen Grenze. Bereits mehr als eine Million Menschen sind geflohen. Fotos: RTS
Klein-Valeriya mit ihrer Mama im Zeltcamp an der russisch-ukrainischen Grenze. Bereits mehr als eine Million Menschen sind geflohen. Fotos: RTS

Der andauernde Ukraine-Konflikt „hält Brüssel und Moskau auf Konfrontation“.

donezk. „Die Ukraine ist heute mehr denn je ein gespaltenes Land und die Rückkehr an den Verhandlungstisch wird immer schwieriger“, sagt der „Journalist des Jahres 2014“ und ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz im VN-Gespräch. In seinem neuen Buch „Brennpunkt Ukraine – Gespräche über ein gespaltenes Land“ lässt er einflussreiche Politiker, Akteure der ukrainischen Freiwilligen wie auch der prorussischen Rebellen, aber vor allem die ganz normalen Menschen in der Ostukraine zu Wort kommen.

Korrupte Oligarchie

Die Ursache der Ukraine-Krise sieht Christian Wehrschütz in der schlechten wirtschaftlichen Entwicklung seit der Unabhängigkeit, denn „die Oligarchen damals wie heute beuten das Land aus, die Korruption ist extrem. Mit Ausnahme des ersten Präsidenten vor 22 Jahren waren und sind alle korrupt“. Notwendige Reformen werden nicht auf den Weg gebracht. Viktor Janukowitsch fuhr anfänglich einen EU-Kurs, machte aber eine Kehrtwendung, nachdem Moskau mehr Geld in die Hand genommen hatte.

Die zu Beginn friedliche Maidan-Bewegung schlug plötzlich in eine aggressive „Sturz des Janukowitsch“-Bewegung um, und zwar mit Gewaltanwendung seitens „radikaler, ultranationaler Kräfte, was entsprechende Gegenreaktionen auslöste“, weiß Wehrschütz. Die mehrheitlich russische Bevölkerung der Krim wollte zu Russland, im russischsprachigen Osten kam es zum Widerstand. Die Gewalt ist eskaliert.

„Es gibt dort nur noch Böse“

„Man kann nicht mehr sagen, wo Gut und wo Böse ist – dort gibt es nur noch Böse“, erläutert Wehrschütz. „Teile der Kontrahenten auf beiden Seiten haben kein Interesse am Frieden, auf beiden Seiten sind Tauben und Falken, da kann man leider die Führung in Kiew nicht ausnehmen.“ Dazu komme die Supermachtkonfrontation Washington-Brüssel-Moskau und der begleitende Medien-Krieg. „Gegen eine EU-Ausrichtung der Ukraine kann Moskau nichts einwenden, der gewünschte Beitritt der Ukraine zur NATO ist unwahrscheinlich, da die EU dazu nicht gewillt ist. Die USA liefern Militärgüter und nützen den Konflikt aus, um Brüssel und Moskau in Konfrontation zu bringen“, beschreibt Wehrschütz die Situation.

Friedensgespräche nötig

„Es sind jetzt drei Szenarien möglich: Erstens die Eskalation, wobei ich einen Einmarsch der Russen ausschließe, Putin hat kein Interesse an der Ukraine; zweitens, es bleibt wie es ist, und die unerträglichen Kämpfe gehen weiter; drittens, es kommt zur Waffenruhe, zum Waffenstillstand und in der Folge zu Friedensverhandlungen. Hier ist nun die Kernfrage, ob die Bildung der Pufferzone, wie in Minsk vereinbart, gelingt und schwere Artillerie abgebaut werden kann.“ Eine rasche Lösung sieht Christian Wehrschütz nicht, da aufgrund der verhärteten Fronten zwischen den Konfliktparteien das lösungsorientierte Zugehen aufeinander immer schwieriger wird. Dennoch bleibt die Hoffnung, dass die Gespräche in Minsk mit dem Ziel der Friedensverhandlungen weitergehen.

Fragt sich, ob die in Minsk vereinbarte Pufferzone gelingt.

Christian Wehrschütz
Christian Wehrschütz„Brennpunkt Ukraine – Gespräche über ein gespaltenes Land“StyriaSeiten: 312
Christian Wehrschütz
„Brennpunkt Ukraine – Gespräche über ein gespaltenes Land“
Styria
Seiten: 312
Klein-Valeriya mit ihrer Mama im Zeltcamp an der russisch-ukrainischen Grenze. Bereits mehr als eine Million Menschen sind geflohen. Fotos: RTS
Klein-Valeriya mit ihrer Mama im Zeltcamp an der russisch-ukrainischen Grenze. Bereits mehr als eine Million Menschen sind geflohen. Fotos: RTS

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