Brasiliens Präsidentin Rousseff entmachtet

Politik / 12.05.2016 • 22:32 Uhr / 3 Minuten Lesezeit
Rousseff glaubt Opfer eines Komplotts zu sein. Ihre Gegner werfen ihr unter anderem Budgettricks vor.  reuters
Rousseff glaubt Opfer eines Komplotts zu sein. Ihre Gegner werfen ihr unter anderem Budgettricks vor.  reuters

Staatschefin nach Senatsvotum vorläufig supendiert. Vizepräsident Temer übernimmt.

brasília. (VN) Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff muss ihr Amt vorläufig abgeben. Nach dem Abgeordnetenhaus hat am Donnerstag auch der Senat in einer rund 20-stündigen Marathonsitzung mit 55 Stimmen und 22 Gegenstimmen den Weg frei für ein Amtsenthebungsverfahren gemacht. Die Politikerin der linken Arbeiterpartei wird zunächst suspendiert, ihr politischer Widersacher Michel Temer übernimmt so lange die Amtsgeschäfte. Er gehört der Partei der demokratischen Bewegung an, die die Koalition mit der Arbeiterpartei Rousseffs im März aufgekündigt hatte.

Kabinett entlassen

Der Senat hat nun 180 Tage Zeit, um einen Amtsenthebungsprozess durchzuführen und mit Zweidrittelmehrheit darüber zu entscheiden, ob Rousseff dauerhaft das Präsidentenamt aufgeben muss. Es gilt als wahrscheinlich, dass sie nicht an die Macht zurückkommt. Nur Stunden nach dem Votum am Donnerstag wurde Rousseffs gesamtes Kabinett entlassen. Rousseff sagte bei ihrer vorerst letzten Stellungnahme im Palácio do Planalto: „Ich bin von 54 Millionen Brasilianern legal gewählt worden.“ Das Amtsenthebungsverfahren gegen sie sei nicht gerechtfertigt. „Das ist ein wahrhaftiger Putsch.“

Der 68-Jährigen werden Buchhaltungstricks vorgeworfen, um große Haushaltsdefizite zu verschleiern. Sie argumentierte, dass sie nicht wegen eines Verbrechens angeklagt worden sei und vorherige Präsidenten Ähnliches getan hätten. Ihre Anhänger drohten umgehend mit Protesten und Streiks. Für die Amtsenthebung spricht sich laut Umfragen zwar die Mehrheit der Bevölkerung aus. Doch deuten die Befragungen auch an, dass die Öffentlichkeit die Nachfolge Rousseffs mit Misstrauen betrachtet. Würde eine Präsidentenwahl stattfinden, käme er gerade einmal auf ein bis zwei Prozent der Stimmen. Brasilien befindet sich in der schwersten Wirtschaftskrise seit rund 100 Jahren. Für politische Turbulenzen sorgen nicht nur das Amtsenthebungsverfahren, sondern auch eine Reihe von Korruptionsskandalen um den staatlichen Ölkonzern Petrobras, in die viele Manager und Politiker verwickelt sind. Im Sommer finden in Rio de Janeiro die Olympischen Spiele statt. Vizepräsident Temer wird nun als Gastgeber des am 5. August beginnenden Events fungieren.

Verdacht auf Komplott

Tener hatte angekündigt, mit Privatisierungen und Entlassungen im Staatsdienst das hohe Staatsdefizit Brasiliens in den Griff bekommen zu wollen. In seiner Antrittsrede bezeichnete er es als seine „große Mission“, das Land „zur Ruhe zu bringen und zu einen“. Der 75-Jährige begann vor Wochen damit, ein neues Kabinett zusammenzustellen. Für die Unterstützer Rousseffs war das ein Indiz dafür, dass er in ein Komplott involviert war, um sie aus dem Amt zu vertreiben. Rousseffs Arbeiterpartei kam vor 13 Jahren an die Macht. Sie selbst ist seit 2011 Präsidentin.

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