Schafspelz ausziehen
Norbert Hofer ist gut. Zumindest in der Diskussionsführung kann ihm keiner das Wasser reichen. Er pariert, kontert, weicht aus und attackiert. Doch Van der Bellen stellt sich von Mal zu Mal besser ein – es könnte aber zu spät sein.
Eine Kostprobe: Van der Bellen spricht über seine Unterstützer. Demgegenüber stellt er einen FPÖ-Politiker als Unterstützer Hofers und liest dessen fragwürdiges Facebookposting vor. Hofers Antwort: Er wolle jetzt nicht, dass sich die Kandidaten gegenseitig Postings vorlesen. Sonst könne er ja auch auf einen Grünen-Politiker verweisen, der ihn per Posting ausrichtete: „Behindert zu sein reicht nicht.“ Van der Bellen fragt: „Ja wer hat angefangen?“ Hofers Antwort: „Sie.“ Punkt für Hofer.
Alexander Van der Bellen ist ein erfahrener Mann. Er weiß, dass er Hofer im direkten Duell unterlegen ist. Mittlerweile spricht er aber schneller, kontert geschickt. Auf die TTIP-Attacke von Hofer war er bestens vorbereitet. Hofer bemängelt: Van der Bellen sei gar nicht uneingeschränkt gegen das Freihandelsabkommen. Van der Bellen gibt ihm ansatzweise recht, was Hofer ein Grinsen entlockt. Van der Bellen legt nach: „Jeder der lacht, wenn von Freihandel die Rede ist, hat von Wirtschaft keine Ahnung.“
Das reicht nicht. Norbert Hofer ist ein bestens geschulter Kommunikator. Van der Bellen thematisiert diesen Umstand sogar, er wirft Hofer dessen NLP-Technik vor. Hofer beantworte keine Fragen, wechsle unangenehme Themen und bastle daraus einen Angriff. Was macht Hofer? Jedes Mal, wenn Van der Bellen eine Frage nicht beantwortet, moniert Hofer: „Das ist NLP!“ Brillant.
Um den Spieß noch zu drehen, muss Van der Bellen Hofer den Schafspelz ausziehen. Am Freitag ist es ihm ansatzweise gelungen. Wird Hofer zum „Wolf im Wolfspelz“, wie es Hubert Patterer von der Kleinen Zeitung treffend formuliert, schreckt er gemäßigtere Wähler ab. Angriff ist Van der Bellens Chance. Der Wolf wird sich hüten.
michael.prock@vorarlbergernachrichten.at, 05572/501-633
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