Kein Machterhalt um jeden Preis

Politik / 17.05.2016 • 22:45 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Ex-ÖBB-Chef Christian Kern nach seiner Angelobung zum Kanzler in der Wiener Präsidentschaftskanzlei. APA
Ex-ÖBB-Chef Christian Kern nach seiner Angelobung zum Kanzler in der Wiener Präsidentschaftskanzlei. APA

Kanzler Kern distanziert sich von bisheriger inhaltsloser Regierungsarbeit.

Wien. Jetzt ist es offiziell. Christian Kern (SPÖ) ist Österreichs neuer Bundeskanzler. „Ich gelobe“, bestätigte er am Dienstagabend vor Bundespräsident Heinz Fischer die Gelöbnisformel. Kern ist der 13. Regierungschef der Zweiten Republik. Diese möchte er wie auch die Sozialdemokratie wieder auf Vordermann bringen. Das erklärte der Kanzler bei seinem ersten Statement vor Journalisten.

Welches Ziel setzt Kern für die Sozialdemokratie?

Kern möchte die SPÖ wieder an die Spitze bringen: „Wir wollen den Führungsanspruch stellen.“ Das neue Regierungsteam sei ein erstes Signal in diese Richtung. Es soll die Gesellschaft widerspiegeln: „Ich will die SPÖ nicht in die Mitte, sondern in die Breite führen.“ Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil sei etwa ein wichtiger Repräsentant einer gewissen Haltung in der SPÖ.

Ein ganz bewusstes und wichtiges Zeichen wollte Kern mit der Bestellung der neuen Staatssekretärin Muna Duzdar setzen. Mit ihr ist erstmals eine Frau mit Migrationshintergrund in der Regierung.

Wie steht der Kanzler zur FPÖ?

„Klar ist, dass wir in dieser Frage neue Antworten brauchen“, meint Kern in Hinblick auf die FPÖ. Dem SPÖ-Chef schwebt ein Kriterienkatalog vor, in dem die Grundsätze für eine Zusammenarbeit mit anderen Parteien festgelegt werden. Sicher sei, dass „wir nicht mit Parteien arbeiten, die gegen Menschen und Minderheiten hetzen“, sagt der 50-Jährige. Am Ende müssten die definierten Grundsätze immer vor dem Machterhalt stehen. Eine Koalition um jeden Preis werde es also nicht geben. Auf Bundesebene würde Kern derzeit keine Regierung mit der FPÖ bilden.

Wird Kern mit der ÖVP als Partner weiterarbeiten?

Der Kanzler fordert einen neuen Stil in der Regierung. Man müsse weg davon, dass man dem anderen keinen Millimeter Erfolg gönne: „Wir wollen unsere Hand ausstrecken, insbesondere gegenüber dem Koalitionspartner.“ Nach seinem ersten Gespräch mit Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) sei er optimistisch. „Machtversessenheit“, „Zukunftsvergessenheit“ und „Inhaltslosigkeit“ hätten keinen Platz mehr in der Politik: „Sonst verschwinden die Großparteien von der Bildfläche – und wahrscheinlich zu recht.“

Auf welche Themen setzt
Christian Kern?

Der frühere Bahnmanager möchte die Stimmungslage in Österreich ändern: „Die größte Wachstumsbremse in der Wirtschaft ist die schlechte Laune“, sagte er. Österreich brauche einen „New Deal“, also einen kurz- und langfristigen Plan bis 2025. Kern möchte damit der hohen Arbeitslosigkeit und den sinkenden Reallöhnen ein Ende bereiten. Österreich solle wieder attraktiver werden. Schließlich hätten die Unternehmen das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort verloren und die Abstiegsängste bereits die Mittelschicht erreicht. 

Will der Kanzler den bisherigen Kurs in der Asylpolitik halten?

„Wir werden mit größtem Augenmaß überlegen, welche Maßnahmen wir brauchen“, verweist Kern in der Flüchtlingsfrage auf die Regierungsbeschlüsse. Diese erlauben es, bei großer Zuwanderung den „Notstand“ auszurufen. Es gelte immer, diese Frage mit Menschlichkeit und Humanität zu lösen, aber gleichzeitig das Bedürfnis der Bevölkerung nach Sicherheit und Ordnung zu beachten. Den Fokus möchte er auf Integrationsmaßnahmen legen.   

Für wen wird der neue Bundeskanzler bei der Hofburg-Wahl stimmen?

Kern wird bei der Präsidentschaftswahl für Alexander Van der Bellen stimmen. Eine offizielle Wahlempfehlung wird es von den Sozialdemokraten nicht geben.

Wir brauchen einen New Deal. Die größte Wachstumsbremse in der Wirtschaft ist die schlechte Laune.

Christian Kern
Kein Machterhalt um jeden Preis

Du hast einen Tipp für die VN Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@vn.at.