Die Briefwahl im Visier

Politik / 24.05.2016 • 22:29 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Mit hauchdünnem Rückstand hat Hofer die Wahl verloren. Nun soll Ruhe einkehren, sagte er.  Foto: AFP
Mit hauchdünnem Rückstand hat Hofer die Wahl verloren. Nun soll Ruhe einkehren, sagte er.  Foto: AFP

FPÖ möchte Briefwahl-System reformieren. Hofer und Strache gratulieren dem Sieger.

Wien. (VN-ebi, apa) FPÖ-Chef Heinz Christian Strache möchte das System verändern. Bei der historisch hohen Zahl an Briefwahlstimmen bei der Bundespräsidentenwahl ortet er Möglichkeiten des Missbrauchs. Zum Beispiel sei denkbar, dass Vereine ihre Mitglieder unter Druck setzen, die Wahlkarten mit einer bestimmten Stimme abzugeben. Auch erwähnt er Bewohner von Pflegeheimen, für die andere wählen könnten. Angesprochen hat Strache in diesem Zusammenhang ebenso besachwaltete Personen. Eine geheime Wahl sei bei diesem System ohnehin nicht gewährleistet, kritisierte er. Nun möchte Strache die Hinweise auf Wahlbetrug, die er von zahlreichen Bürgern erhalten habe, von Experten prüfen lassen. Man werde sehen, ob eine Anfechtung des Ergebnisses Sinn mache, sagte der FPÖ-Chef nach dem Parteivorstand am Dienstag. Auch FPÖ-Verfassungssprecher Harald Stefan plädiert dafür, die Möglichkeit zur Briefwahl einzuschränken. Bürgern, die sie nur aus „Bequemlichkeit nutzen wollen“, solle sie nicht mehr angeboten werden. Nur jene, die nicht im Wahllokal wählen könnten, sollten die Möglichkeit zur Briefwahl haben, etwa Kranken oder im Ausland befindliche Personen.

Drohungen gegen Wahlsieger

Am Sonntagabend noch lag FPÖ-Kandidat Norbert Hofer vor Alexander Van der Bellen. Das Blatt hat sich allerdings mit den Briefwahlstimmen gewendet. Der frühere Grünen-Chef erreichte ein Ergebnis von 50,3 Prozent. Hofer und Strache gratulierten dem designierten Bundespräsidenten. Die FPÖ werde Van der Bellen an seiner Ankündigung messen, ein Präsident für alle Österreicher zu sein. Beide riefen ihre Anhänger und auch Gegner zur Besonnenheit auf. Zuvor hatte ein Mann auf der Facebook-Seite von Strache zu Anschlägen an Van der Bellens Wohnadresse aufgerufen. Das Posting wurde gelöscht, liegt der Tageszeitung „Standard“ aber vor. Das Innenministerium erklärte, den designierten Bundespräsidenten unter verstärkten Personenschutz zu stellen. 

Hofer heute bei Fischer

Strache forderte eine „Abrüstung der Worte“. Viele User hätten Kommentare hinterlassen, die mit dem Respekt gegenüber der Demokratie, den Kandidaten und ihren Wählern völlig unvereinbar wären. Auch Hofer bat die Österreicher, nun zusammenzuhalten.  Der FPÖ-Kandidat wird weiterhin dritter Nationalratspräsident bleiben. Spekulationen, wonach er Strache die Obmannschaft der Partei streitig machen könnte, widersprach Hofer. Er erklärte, bei der nächsten Nationalratswahl hinter Strache auf der FPÖ-Liste zu kandidieren. Einen Vorzugsstimmenwahlkampf werde es nicht geben. Auch Strache wollte von einer Rochade in seiner Partei nichts wissen. Heute, Mittwoch, wird Hofer Bundespräsident Heinz Fischer in der Hofburg zu einem Gespräch besuchen.

Soziale Ängste

Unterdessen zeigte eine neue Studie von Politikprofessor Fritz Plasser und Meinungsforscher Franz Sommer, dass das mangelnde Vertrauen in die Politik sowie soziale und finanzielle Ängste die Wahlentscheidung am Sonntag geprägt hatten. Vor allem Hofer-Wähler äußerten diese Sorgen. Eine Kluft machten die Forscher im außergewöhnlich starken Stadt-Land-Gefälle fest. In den ländlichen Regionen lag der FPÖ-Kandidat rund 20 Prozent vor Alexander Van der Bellen, in städtischen Gebieten war es umgekehrt. Die Mehrheit der Van der Bellen-Wähler wollte laut Plasser den Gegenkandidaten verhindern. Nur 47 Prozent der Van der Bellen-Wähler entschieden sich vorrangig, für den früheren Grünen-Chef zu stimmen, weil sie von ihm persönlich überzeugt waren.

Angelobung im Juli

Das Endergebnis der Hofburg-Wahl wird am 1. Juni amtlich verlautbart. Binnen 48 Stunden kann es dann beim Verfassungsgerichtshof angefochten werden. Dieser beschäftigt sich nur damit, wenn die behaupteten Mängel den Wahlausgang entscheidend verändern könnten. Sie müssten bei Alexander Van der Bellens Vorsprung 15.515 Stimmen betreffen. Am 8. Juli wird er von der Bundesversammlung als Präsident angelobt.

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