Notenbank hält an Bargeld fest

Politik / 31.05.2016 • 22:30 Uhr / 7 Minuten Lesezeit
Nowotny fordert nach dem Hypo-Debakel ein abschreckendes Insolvenzrecht für Länder. FOTO: Fabry/Die Presse
Nowotny fordert nach dem Hypo-Debakel ein abschreckendes Insolvenzrecht für Länder. FOTO: Fabry/Die Presse

Nowotny will sich an Bürgerwünsche halten. Er schließt Minuszinsen für Privatkunden aus.

WIEN. Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny fordert nach dem Hypo-Desaster in Kärnten ein Insolvenzrecht für Bundesländer. Er berichtet von täglichen Hackerangriffen auf die Nationalbank.

Die Nationalbank feiert heuer ihren 200. Geburtstag, aber wie lange wird es sie noch geben?

NOWOTNY: Ich bin ganz sicher, dass wir auch das 300. Jubiläumsjahr der OeNB feiern werden. Ich nehme an, dass dann eine Gouverneurin an der Spitze der Bank steht.

Und Bargeld verwalten wird dann keine Aufgabe mehr sein?

NOWOTNY: Bargeld verwalten wird auf jeden Fall eine Aufgabe sein. Die Österreicher ändern ihre Präferenzen nicht so rasch. So lange es die Bevölkerung wünscht, wird es Bargeld geben.

Kann es sein, dass Bürger sanft dazu gedrängt werden, auf unbare Zahlung umzusteigen?

NOWOTNY: In Zentraleuropa gibt es eine große Präferenz für Bargeld, und die ist für uns relevant. Wir sind gerade dabei, eine neue Bargeld-Serie herauszubringen. Das ist ein gutes Argument für alle, die immer Angst haben, dass Bargeld verschwindet.

Unbares Zahlen ist nicht sicherer. Was kann man gegen Hackerangriffe unternehmen?

NOWOTNY: Wir haben fast jeden Tag irgendeinen Angriff, der an unseren Mauern abprallt. Die Botschaft, die ich von der IT-Abteilung bekomme: Es wird versucht, aber wir sind gerüstet.

Woher kommen die Angriffe?

NOWOTNY: Es gibt keine eindeutige Richtung. Zum Teil sind das sehr amateurhafte Angriffe, die das vielleicht auch als Spielerei machen.

Bewerten Sie die Gefahr Hacker und Unbares größer als Bargeld und Terrorfinanzierung?

NOWOTNY: Die Rolle des Bargeldes als Helfer für Terrorismus sollte man nicht überschätzen. Wenn der 500er ausläuft, dann wird sich das Interesse nach 1000-Franken-Noten verstärken. Das Risiko ist weiter weg, als ein unmittelbarer, professioneller Hackerangriff.

Tragen Sie die expansive Geldpolitik von Mario Draghi mit?

NOWOTNY: Ja. In einer Zeit, wo ich niedrige Inflationsraten habe und schwaches Wachstum, brauche ich eine expansive Geldpolitik.

Wird es jemals Negativzinsen für Privatkunden geben?

NOWOTNY: Dazu wird es meines Erachtens für Privatkunden nie kommen. Für Großeinleger gibt es das ja schon, in der Schweiz etwa.

Was müsste der von Kern angekündigte New Deal enthalten?

NOWOTNY: Ich bitte um Verständnis, dass ich als unabhängiger Gouverneur die Pläne des neuen Kanzlers nicht im Detail kommentieren kann. Aber langfristig ist der Bildungsbereich wohl am wichtigsten. Kurzfristig sehen wir, dass die Investitionen bei den Sachgütern zwar anziehen. Erstaunlicherweise gibt es im Wohnbau aber keinen wirklichen Durchbruch.

Muss die Bankenabgabe geändert werden?

NOWOTNY: In Österreich haben wir in der Kreditwirtschaft eine starke Belastung. Umgekehrt muss der Staat auch versuchen, sein Budget in Ordnung zu halten. Die Notenbank hat ein Interesse an einer möglichst starken Kapitalausstattung der Banken. Da ist aus unserer Sicht alles positiv, was diese Kapitalausstattung erleichtert.

Gibt es eine Schätzung, wie viel die Hypo Alpe Adria die Steuerzahler insgesamt kosten wird?

NOWOTNY: Bis jetzt sind etwa sieben Milliarden Euro in die Bank geflossen. Man muss jetzt warten, ob das Angebot der Regierung auch angenommen wird. Dann ist die Verwertung der Assets durch die Heta entscheidend. Am Ende wird man dann sehen, was es gekostet hat.

Welche Schlüsse soll der Gesetzgeber daraus ziehen?

NOWOTNY: Garantien sind gefährlich. Es braucht eine klare Darstellung im Rahmen des Bundeshaushaltsrechts und nach Möglichkeit eine Begrenzung der Garantievergabe von Ländern und Gemeinden.

Wie müsste das begrenzt werden?

NOWOTNY: Erstens muss sich das aus der Höhe des Budgets ergeben. Zweitens ist es unter Umständen problematisch, wenn Banken in öffentlichem Eigentum sind. Die ungebremste Expansion der Hypo Alpe Adria war Ergebnis eines massiven politischen Einflusses. Umgekehrt aber gab es keine wirklich effektive Kontrolle.

Würden Sie nach der Erfahrung mit Kärnten auch für ein Insolvenzrecht für Länder votieren?

NOWOTNY: Wenn sich der Staub der Hypo Alpe Adria wieder gelegt hat, dann halte ich es für sinnvoll. Es ist schon problematisch, dass auf der einen Seite Länder Schulden aufnehmen können und de facto der Bund immer wieder zur Stabilisierung herangenommen wird.

Sie sagten im Hypo-U-Ausschuss, das Insolvenzrecht müsste genug abschrecken.

NOWOTNY: Das Insolvenzrecht bei Gemeinden bedeutet etwa, dass der Bürgermeister abgesetzt und an dessen Stelle ein Regierungskommissar eingestellt wird. Man kann sich also durchaus abschreckende Varianten vorstellen.

Chronologie

1816: Um die zerrütteten Staatsfinanzen nach den napoleonischen Kriegen zu stabilisieren, wird am 1. Juni 1816 die „privilegierte oesterreichische National-Bank“ gegründet.

1873: Das Platzen einer Spekulationsblase gipfelt im Wiener Börsenkrach.

1878: Die Oesterreichisch-ungarische Bank wird errichtet. Banknoten haben je eine deutsch- und eine ungarischsprachige Seite.

1892: Die Kronenwährung löst den Gulden ab. 

1914–1918: Der Großteil der Kriegsausgaben von rund 80 bis 90 Milliarden Kronen wird durch Kriegsanleihen aufgebracht. Mangel und Inflation sind die Folge.

1922: Die Inflation führt zu extremen Preissteigerungen. Erst die Gewährung einer Völkerbund-Anleihe beendet die Hyperinflation. Die Oesterreichische Nationalbank wird neugegründet.

1925: Der Schilling wird eingeführt. 

1938: Die Nationalbank wird liquidiert, die Geschäftsführung an die Deutsche Reichsbank übertragen. Die österreichischen Gold- und Devisenreserven werden zur Kriegsfinanzierung nach Berlin gebracht. 

1945: Die Devisenbestände aller Österreicher werden von der OeNB erfasst und der Wirtschaft zur Verfügung gestellt.

1947: Banknoten aus dem Jahr 1945 werden eingezogen und in neue Schillingnoten im Verhältnis 1:3 umgetauscht. 

1972: Die OeNB konzentriert sich verstärkt auf ihre währungspolitischen Aufgaben. Firmen und Private können kein Konto mehr bei der OeNB unterhalten.

1980: Der Schilling wird fest an die D-Mark gebunden. 

1994: Der Europäische Wirtschaftsraum entsteht aus dem Zusammenschluss der EU- und EFTA-Staaten. Das Europäische Währungsinstitut (EWI) als Vorläufer der Europäischen Zentralbank wird gegründet. Diese löst das EWI 1998 ab.

1995: Österreich tritt der EU bei.

1999: Der Euro wird als Buchgeld in elf EU-Staaten eingeführt. Das Europäische System der Zentralbanken tritt in Kraft.

2002: Der Euro löst den Schilling auch als Bargeld ab.

2014: Die Europäische Bankenunion zur Kontrolle der Finanzmarktstabilität wird geschaffen.

Das Interview führten Redakteure der Bundesländerzeitungen, für die VN nahm Birgit Entner teil.

Du hast einen Tipp für die VN Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@vn.at.