Charles Ritterband

Kommentar

Charles Ritterband

Kein Silberstreifen

Politik / 04.10.2017 • 22:43 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Während die FPÖ unverdrossen, als ob man nie von weltweiten, aber natürlich für Österreich nicht geltenden, Antinikotinkampagnen gehört hätte, blaue Feuerzeuge als Wahlkampfgabe an die Jugend verteilt, macht es die SPÖ raffinierter: Sie verteilt „Fortune Cookies“, jene unverdaulich-harten „Glückskeks“ bzw. „Glückskrapferln“, die man früher in den bescheideneren chinesischen Restaurants zusammen mit der Rechnung als kleine Aufmerksamkeit des Hauses erhielt. Einmal mehr wusste die SPÖ nicht, was sie tat, als sie massenweise „Fortune Cookies“ mit der auf dem Packerl aufgedruckten Frage „Was bringt die Zukunft?“ unters Wahlvolk brachte.

Ja was wohl, nach allem, was der Kanzlerpartei und dem Kanzler da täglich selbstverschuldet um die Ohren fliegt. Mit gehöriger Neugier reißt man das Packerl auf und knackt das furztrockene Gebäck. Und siehe da, traditionsgemäß birgt es ein Zettelchen, auf dem in sibyllinischer Zweideutigkeit die Zukunft prophezeit wird: „Sie werden am 15. Oktober die richtige Wahl treffen“. Ob der österreichische Wähler in seiner berechtigten Empörung dies tatsächlich tun wird, bleibe dahingestellt. Dass er seinen Wahlzettel jedoch nicht, wie dies jenes unverdauliche „Fortune Cookie“ suggerieren möchte, für die SPÖ einlegen wird, dürfte die Regel und nicht die Ausnahme werden. Dazu braucht es kein chinesisches Cookie-Orakel. Man möchte eine Peking-Ente für acht Personen darauf wetten, dass die SPÖ am 15. Oktober auf einen soliden Platz drei hinter ÖVP und FPÖ kommen wird.

Die SPÖ missachtet einmal mehr den an dieser Stelle österreichischen Politikern des Öfteren ans Herz gelegten Hinweis: Wenn du dich in einem Loch befindest, hör auf zu buddeln. Dass genau zwei Wochen vor dem Wahltermin eine ohnehin schon durch einen pannenreichen, ziemlich miserablen Wahlkampf geschwächte Partei sich aus eigener Verantwortung mitten im größten Wahlkampfskandal der österreichischen Geschichte wiederfindet, muss man der SPÖ erst mal nachmachen. Dass ihr dann aber nichts Gescheiteres einfällt, als die Schuld bei anderen (der ÖVP) zu vermuten, statt der Katastrophe schonungslos frontal zu begegnen, ist „hot and sour“.

Keiner kennt sich mehr aus. Wer hat wem was unterschoben, unterstellt, angedichtet? Der österreichische Wähler muss gegenwärtig grenzenlos verwirrt und maßlos verärgert sein. Ethische Grundsätze? Nie gehört. Transparenz als demokratisches Grundprinzip? Überflüssig. Christian Kern wirbt auf seinen Plakaten mit dem Schlagwort „Erfahrung“. Er wirkt eher überfahren von alledem, was sich da in seiner Partei an Eigenmächtigkeit, Intrigen, Inkompetenz und Hinterfotzigkeit abspielt. Einen erfahrenen Politiker stellt man sich etwas anders vor. Was bringt die Zukunft? Für den Kanzler und seine Partei ist jedenfalls nach der Affäre Silberstein kein Silberstreifen mehr am Horizont sichtbar.

„Für den Kanzler und seine Partei ist kein Silberstreifen mehr am Horizont sichtbar.“

Charles
Ritterband

charles.ritterband@vn.at

Dr. Charles E. Ritterband ist Journalist und Autor sowie langjähriger Auslandskorrespondent der Neuen Zürcher Zeitung (seit 2001 in Wien).