Grüne Länder an die Macht

Politik / 17.10.2017 • 20:13 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Lunacek (vorne) macht Pause, Felipe widmet sich Tirol. APA
Lunacek (vorne) macht Pause, Felipe widmet sich Tirol. APA

Rauch sieht die Landesorganisationen in der Verantwortung.

Bregenz Die Grünen sind zu einer Kleinpartei geworden, zumindest auf Bundesebene. Nach aktuellem Stand erreichten sie bei der Nationalratswahl 3,8 Prozent der Stimmen, womit sie aus dem Parlament fliegen. “Der Schock sitzt tief”, konstatiert Vorarlbergs Landesparteichef Johannes Rauch zwei Tage nach der Wahl. Am Montag ging er auf Tauchstation, fuhr nach Wien, führte Gespräche und stellte die Weichen für die grüne Zukunft. Die liege nun in der Hand der Länder, machte er am Dienstag klar. Die Bundespartei sei marginalisiert, Bundesbüro, Bundesvorstand und Bundeskongress würde es in dieser Form nicht mehr geben. Ein radikaler Neustart stehe bevor.

Den Anfang des Neustarts machten die Grünen am Dienstag. Nach einer Vorstandssitzung erklärten Bundessprecherin Ingrid Felipe und Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek den Rücktritt. Felipe konzentriere sich auf Tirol, sie hat 2018 eine Landtagswahl zu schlagen. Sie betont: “Nun gibt es keine Struktur mehr auf Bundesebene. Dann wird’s kaum mehr möglich sein, die Partei von einem Bundesland aus zu führen.“ Werner Kogler hat die Parteiführung interimistisch übernommen. Am Freitag soll der weitere Fahrplan festgelegt werden. Ulrike Lunacek verlässt das EU-Parlament und zieht sich aus allen Ämtern zurück. „Ich werde jetzt eine Pause einlegen“, sagt sie.

Finanzieller Engpass

Die Folgen der Wahlniederlage sind verheerend. Über 100 Mitarbeiter verlieren ihren Job, zudem sitzt die Partei auf Schulden. Hubert Sickinger, Experte für Parteienfinanzierung, schätzt, dass die Grünen zwei bis drei Millionen Euro Verbindlichkeiten haben. Rauch erläutert: “Das müssen nun die Länder stemmen. Wie, ist noch nicht klar.” Die Bundesparteienförderung fällt jedenfalls weg. Die Grünen erhalten lediglich einmalig knapp 500.000 Euro, worauf alle Parteien Anspruch haben, die mehr als ein Prozent der Stimmen erreichen, aber den Nationalrat verpassen.

Vorarlbergs Grüne dürften bei der finanziellen Rettung keine Rolle spielen. Laut Rechenschaftsbericht nahm die grüne Landesorganisation im Vorjahr rund 620.000 Euro ein, wovon 535.000 Euro aus der Landesparteienförderung stammen. Diese ist laut Gesetz ausschließlich für die politische Arbeit im Land und in Gemeinden verwendbar. Auch Salzburg schreibt die Zweckwidmung fest. “Diese Bundesländer werden also nichts beitragen können”, fasst Sickinger zusammen. Ginge die Partei allerdings in Konkurs, würden die Schulden wohl auf alle Landesorganisationen aufgeteilt werden müssen. “Sie sind schließlich Teil der Organisation.”

Westachse soll bestimmen

Finanziell zwar keine Hilfe, wird Vorarlberg personell wohl eine große Rolle spielen. “Wir haben 30 Jahre lang Strukturen in den Ländern aufgebaut. Die werden nun die Hauptverantwortung übernehmen müssen”, hält Johannes Rauch fest. Eine Neugründung stehe bevor. “Den Ländern mit Regierungsbeteiligung kommt dabei ein großes Maß an Verantwortung zu”, fährt der Landesrat fort. Er denkt dabei an die Salzburgerin Astrid Rössler, die Tirolerin Ingrid Felipe und ihn selbst. “Den Bundeskongress, den Bundesvorstand und den Bundesvorsitz wird es in dieser Form nicht mehr geben. Die Entscheidungsfindung wird über die Länder laufen.” Die innerparteiliche Demokratie müsse ebenfalls auf neue Beine gestellt werden. “Nicht Funktionäre, sondern jeder Bürger soll mitentscheiden dürfen.” Eine Katastrophe sei immer auch eine Chance, gibt sich Rauch optimistisch. “Bisher habe ich auf Bundesebene nie genug Mitstreiter erreicht, um etwas Neues auf den Weg zu bringen.”

Jeder hinterfrage sich

Auch in den Ländern sei ein Neuanfang notwendig, fährt er fort. “Jeder muss sich hinterfragen, auch ich habe meinen Teil der Verantwortung zu tragen.” Auf die Vorarlberger Regierungskoalition habe das Ergebnis aber keine Auswirkung, schließlich gebe es ein gemeinsames Arbeitsprogramm.

Hektik sei nicht geboten. Nun stehe die Abwicklung im Vordergrund, anschließend die Landtagswahlen 2018. In Tirol, Kärnten, Niederösterreich und Salzburg wird kommendes Jahr gewählt. Diese Wahlen sind für die Grünen zukunftsweisend, denn der Bund ist Geschichte. Die Grünen werden föderal.

Rauch will den grünen Strukturen einen radikalen Schnitt verpassen. VN
Rauch will den grünen Strukturen einen radikalen Schnitt verpassen. VN