Der Kammerstaat am Scheideweg

ÖVP hält an Kammerpflicht fest. Vorarlberger AK-Chef warnt dennoch vor Einschnitten.
Wien In der Wirtschaftskammer steht ein Generationenwechsel an. Die ersten Weichen hat die ÖVP am Donnerstag gestellt und Wirtschaftsminister Harald Mahrer zum Obmann des Wirtschaftsbundes designiert. Schon im Frühjahr könnte der 44-Jährige die Funktion des Wirtschaftskammerpräsidenten übernehmen, wie es in ÖVP-Kreisen heißt. Für Christoph Leitl wäre dann nach über 17 Jahren Schluss. Er hinterlasse jedenfalls eine „lupenreine Leistungsbilanz“, huldigt Mahrer dem WKÖ-Obmann. Aufgabe der Kammern werde es auch in Zukunft sein, zu hinterfragen, ob sich ihr Service auf der Höhe der Zeit befinde. An der Pflichtmitgliedschaft will der Wirtschaftsminister nicht rütteln. Einer Befragung der Mitglieder steht er aber offen gegenüber.
„Strukturen stimmen“
Diesbezüglich rufen die Direktoren der Arbeiter- und Wirtschaftskammer Vorarlberg, Rainer Keckeis und Helmut Steurer, in Erinnerung, dass es bereits Mitte der 90er-Jahre eine Befragung zur Kammerpflicht gegeben habe. Der Zuspruch der Mitglieder sei groß gewesen. Strukturell sehen sich beide gut aufgestellt. Eine etwaige Zentralisierung lehnen sie ab. Keckeis verweist auf die regionale Verwurzelung, Steurer darauf, dass alle Branchen ihren Platz haben müssen, um ihre spezifischen Interessen wahrzunehmen.
Dass die Sozialpartner – zu denen auch ÖGB und Landwirtschaftskammer zählen – künftig eine andere Rolle einnehmen werden, glauben beide. „Wir müssen uns neu justieren“, sollte es zu einer schwarz-blauen Regierung kommen, glaubt Wirtschaftskammer-Direktor Steurer: „Einige der Sozialpartner werden einen weniger starken Draht zur Regierung haben.“ Das liege bei neuen politischen Verhältnissen in der Natur der Sache. Diesen blickt AK-Direktor Keckeis kritisch entgegen: „Warum wird plötzlich so viel über die Kammern diskutiert? Weil man von ihnen beim Sozialabbau eine Ruhe haben will.“ Die künftige Regierung habe Angst vor einer starken außerparlamentarischen Opposition. Fordere die Politik von den Kammern Reformwilligkeit, so bedeute das nur eines: „Dass wir die Klappe halten und zu allem Ja und Amen sagen sollen“, meint Keckeis. Er glaubt zwar nicht, dass die künftige Regierung die Pflichtmitgliedschaft kippen wird. „Ihre Zielrichtung wird aber sein, die Beiträge zu kürzen“, sagt er. Diese betragen derzeit für Arbeiterkammermitglieder im Schnitt sieben Euro monatlich, maximal sind es 14,5 Euro. Würden die Beiträge dramatisch gesenkt, müsste die Arbeiterkammer Leistungen abschaffen, meint Keckeis. Als Beispiel nennt er die Wohnrechtsberatung. Personen, die Fragen zu ihren Mietverträgen hätten, würde man dann eben nach Wien zu ÖVP-Chef Sebastian Kurz schicken müssen.