Abgetrumpt
Ein Jahr ist es her, dass Donald J. Trump zum Präsidenten der USA gewählt wurde. Besuch im Land der Freien, ein Jahr danach. Erst 12 Monate, und wir wundern uns nicht einmal mehr darüber, dass der mächtigste Mann der freien Welt zu jeder Tages- und Nachtzeit auch den allergrößten Blödsinn twittert. Wir sind abgestumpft, abgetrumpt sozusagen.
Seinen Beraterkreis und sein engstes Personal hat er in den wenigen Monaten gut durchgewechselt. Eines ist hier in Amerika aber gleich geblieben, wie der Besucher schnell feststellt: An den Küsten in West und Ost kritisieren sie ihn spöttisch, im Land dazwischen haben sie ihn gewählt.
Politisch gestaltet sich das Einreißen der gesetzlichen Gesundheitsversicherung Obamacare schwieriger als gedacht, und so konzentriert sich Trump darauf, möglichst alles, was sein Vorgänger im Amt getan, gesagt hat, zu widerlegen bzw. aufzuheben.
Vermeintlich einfache Lösungen stehen auf dem Programm. Was kümmert uns der Klimawandel? Und: Welcher Klimawandel überhaupt? Dabei haben Naturkatastrophen seine bisherige Amtszeit begleitet. Hurrikane suchten Texas, Florida, Puerto Rico heim. Hätte man zum Anlass nehmen können, Klimapolitik zu thematisieren. Hat er nicht. Angesichts der Hurrikan-Katastrophen zeigten sich die Ex-Präsidenten Seite an Seite. Obama, Bush 2, Clinton, Bush 1. Was bleibt, jetzt, wo sie alle mit Trump verglichen werden: Selten hat es so wohl getan, George W. Bush zu hören!
Aus dem Wahlkampf-Versprechen Nummer eins, der Mauer zu Mexiko, wurde zwischenzeitlich ein Testgelände: An der Grenze haben die Behörden verschiedene Muster einer möglichen Mauer errichten lassen. Mexiko wird – Stand heute – zwar definitiv nicht für die Grenzmauer bezahlen, wie sich Trump das wünscht, aber TV-Bilder gibt das trotzdem.
Überhaupt denkt der Mann vor allem in TV-Quoten. Erfolg misst sich allein daran, wie viele Augenpaare er vor dem Fernseher versammeln kann, davon ist Trump besessen. Sitzt selbst im Weißen Haus vor dem Fernseher, schaut die Morgensendungen der US-Sender und lobt dann oft genug „Morning Joe“ vom rechtskonservativen FOX-News per Twitter – alle anderen: Fake-News. So geht US-Politik 2017.
Die von Trump als Fake-News Verspotteten, insbesondere die New York Times und die Washington Post, können sich vor neuen Lesern kaum retten. „Trump-Bump“ nennen sie den erfreulichen Buckel in den Statistiken. Während die New York Times mit dem Wahrheitsbegriff wirbt, geht es die Washington Post etwas dramatischer an: „Demokratie stirbt in der Dunkelheit“, „Democracy dies in darkness“, schreibt die Traditionszeitung, zwischenzeitlich im Besitz von Amazon-Gründer Jeff Bezos, täglich auf ihre Titelseite.
Während Sonderermittler und in weiterer Folge Gerichte zu klären versuchen werden, welchen Einfluss eine Russland-Connection auf den Wahlausgang gehabt haben könnte, geht das Leben auch ein Jahr nach Trumps Wahl weiter. Er werde ja eh nicht lange Präsident sein, hört man oft.
Das Exit-Szenario ist aber nicht eine Absetzung des Präsidenten, das wird sich nicht ausgehen. Eher wird Trump erklären, er habe das System gesprengt, alles erreicht, was er sich vorgenommen hat. Und gehen.
Eines hat er innert der Jahresfrist geschafft: erfolgreich das Land gespalten.
„Eines hat er innert der Jahresfrist geschafft: erfolgreich das Land gespalten.“
Gerold Riedmann
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Gerold Riedmann ist Chefredakteur der Vorarlberger Nachrichten.
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