Milliardenschwerer Kassasturz

Strukturelles Defizit von 0,5 Prozent geplant: Einsparungen von 3,88 Mrd. Euro nötig.
Wien Schritt eins haben ÖVP-Chef Sebastian Kurz und FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache geschafft. In der ersten Woche ihrer Koalitionsverhandlungen haben sie die Leitlinien für die anstehenden Gespräche und gleichzeitig ein erstes großes Ziel fixiert. 2018 soll das strukturelle Defizit nicht mehr als 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen. Um diesen Wert zu erreichen, müssten ÖVP und FPÖ 3,88 Milliarden Euro einsparen. Dafür werde es mutige Einschnitte brauchen, meint Fiskalratspräsident Bernhard Felderer.
„Strukturelles Ausgabenproblem“
Kurz erklärt die aktuelle Lage wie folgt: „Auf den ersten Blick haben wir eine relativ positive Großwetterlage, eine gute Konjunktur und niedrige Zinsen. Das strukturelle Ausgabenproblem besteht aber nach wie vor.“ Setze die künftige Regierung keine Maßnahmen, steige das strukturelle Defizit im Jahr 2018 auf 1,5 Prozent. Grund dafür seien die Beschlüsse, welche die Regierung im ersten Halbjahr 2017 und das Parlament kurz vor der Wahl gefasst hätten, ohne deren Gegenfinanzierung zu klären. Diese Maßnahmen machten rund drei Milliarden Euro aus. Eine Auflistung der Maßnahmen inklusive Kosten war aus der ÖVP-Zentrale nicht zu erhalten. Kurz erklärte allerdings, dass sich die nicht gegenfinanzierten Regierungsbeschlüsse auf rund 2,3 Milliarden Euro beliefen. Unter anderem spielt er damit auf die Abschaffung des Pflegeregresses sowie die SPÖ-Prestigeprojekte namens Beschäftigungsbonus und Aktion 20.000 für ältere Langzeitarbeitslose an. Die Vorwahlbeschlüsse im Parlament, die von der Abschaffung der Mietvertragsgebühr bis zur Reform der Notstandshilfe reichen, beziffert der ÖVP-Chef mit zusätzlichen 650 Millionen Euro. Ob nun Maßnahmen zurückgenommen oder erst gar nicht in Kraft treten werden, lassen Kurz und Strache offen. „Wir werden uns anschauen, was wir uns leisten können und was nicht“, erklärt der ÖVP-Chef am Freitag.
Kritik an Beschäftigungsbonus
Fiskalratspräsident Felderer kennt die Details zum jüngsten Kassasturz noch nicht. Zuletzt habe der Finanzminister für 2018 ein Defizit von 0,8 Prozent gemeldet. Rechne man die nicht gegenfinanzierten Vorwahl-Beschlüsse ein, könne dieser Wert natürlich steigen. Um von dem neu prognostizierten Defizit von 1,5 wieder auf 0,5 Prozent zurückzukommen, müsse man irgendwo mutig hineinschneiden, sagt Felderer. Kurzfristig sieht er bei den Förderungen Möglichkeiten. Der Fiskalratspräsident kritisiert auch den Beschäftigungsbonus, der für neue Mitarbeiter die Lohnnebenkosten um die Hälfte senken soll. „Die Maßnahme ist danebengegangen, weil der Staat mitten in der Konjunktur Geschenke verteilt, obwohl er es sich leisten könnte zu sparen. Ein Defizit in der Hochkonjunktur zu machen, ist merkwürdig.“ Daher sei das Ziel, 0,5 Prozent des BIP zu erreichen, richtig. „Vielleicht gibt es noch mehr Ehrgeiz für ein noch geringeres Defizit.“ Aber Ehrgeiz wird aber nicht nur das für 2018 geplante strukturelle Defizit von ÖVP und FPÖ erfordern. Schließlich wollen sie auch Steuern reduzieren. Langfristig werde man die Abgabenquote in Richtung 40 Prozent senken, wiederholen Kurz und Strache ihr zentrales Wahlversprechen. Zwischen zwölf und 14 Milliarden Euro macht das Volumen laut ÖVP- und FPÖ-Wahlprogrammen aus. Details zur Gegenfinanzierung gibt es noch keine. Auch nicht zu den anderen Leitlinien, die vom Sozialen über die Aufwertung des Wirtschaftsstandortes bis zur stärkeren direkten Demokratie reichen. „So weit sind wir noch nicht“, erklärt Strache. Kommende Woche gehen die Koalitionsverhandlungen weiter.
„Wir werden uns anschauen, was wir uns leisten können und was nicht.“