Zukunft der Liste Pilz ungewiss

Viele offene Fragen nach Rücktritt des Gründers Peter Pilz.
wien Die Nachricht löste ein politisches Erdbeben aus: Noch bevor der neue Nationalrat am Donnerstag erstmals zusammentritt, verkündete der prominente Ex-Grüne Peter Pilz seinen Rückzug. Grund dafür sind Vorwürfe der sexuellen Belästigung. Wie es mit seiner Liste Pilz nun weitergehen soll, ist offen. Seine Mitstreiter stärkten ihm am Wochenende jedenfalls den Rücken.
Verschiedene Modelle
Am Sonntag kam der künftige Klub zu einer Sitzung zusammen. „Wir müssen uns nun neu finden“, sagte der Mandatar Wolfgang Zinggl im Anschluss zu den VN. Es seien verschiedene Modelle für den Klubvorsitz erabeitet worden, am Mittwoch werde dann bekannt gegeben, wer die Position übernehme. „Wir sind guten Mutes.“ Wie der zukünftige Name der Partei lauten wird, sei noch offen, darüber werde später entschieden. „Derzeit stehen pragmatische Geschichten im Vordergrund.“
Die Liste Pilz zieht mit acht Mandataren ins Hohe Haus ein, statt Pilz rückt Martha Bißmann als Abgeordnete nach. Zinggl hält den Rückzug des Parteigründers für konsequent. Allerdings blieben einige Fragen noch unbeantwortet, die Veröffentlichtungen seien zu einem politisch heiklen Zeitpunkt erfolgt, meint der Ex-Grüne. „Wir müssen nun in die Offensive gehen und uns genau anschauen, wie alles abgelaufen ist.“ Peter Kolba, ein weiterer Mitstreiter, sprach sogar von einer „wohlkoordinierten Kampagne in den Medien“, die Pilz zum Rücktritt veranlasst hätte. Die frühere Sprecherin des Frauenvolksbegehrens, Maria Stern, die erfolglos auf Platz zehn der Liste kandidiert hatte, sagte zu „Standard Online“, sie stehe nach wie vor zu Pilz. Die Vorwürfe seien ihr im Wahlkampf nicht bekannt gewesen. Andere Männer sollten den Ex-Grünen nun als Vorbild sehen und die Verantwortung für ihr Handeln übernehmen. Pilz war zurückgetreten, weil er 2013 beim Forum Alpbach vor mehreren Zeugen eine junge Frau begrabscht haben soll. Das hatte die Wochenzeitung „Falter“ publik gemacht. Zuvor berichteten „Presse“ und „Profil“ über Vorwürfe einer ehemaligen Assistentin von Pilz wegen verbalen und körperlichen Belästigungen. Ende 2015 wandte sie sich an eine Vertrauensperson, es folgte eine Anzeige bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft.
Den Vorwurf aus dem Jahr 2013 nannte Pilz in einer Pressekonferenz als Grund seines Rückzugs. Er könne sich zwar nicht daran erinnern, das sei aber keine Entschuldigung. Die Vorwürfe seiner früheren Mitarbeiterin bestritt er und sprach von einem Arbeitskonflikt. Er habe die ehrgeizige Assistentin nicht befördern wollen. Da die Grünen ihm die Anschuldigungen nicht in schriftlicher Form aushändigen wollten, sei es ihm nicht möglich gewesen, sich dagegen zu wehren. „Ich weiß nur, dass hier jemand Vorwürfe produziert, die frei erfunden sind.“ Als Quelle für die Veröffentlichungen vermutet der 63-Jährige seine frühere Partei, mit der er sich bei der Listenerstellung für die Nationalratswahl zerstritten hatte.
Schreiben vorgelesen
Die Grünen stellen das in Abrede. Sie weise den Vorwurf der politischen Intrige zurück, erklärte etwa die frühere grüne Parteichefin Eva Glawischnig. Pilz sei mit den Vorwürfen detailliert konfrontiert worden. Dies sei nicht schriftlich erfolgt, weil die Betroffene dem nicht zugestimmt habe. Sie habe sich aber bereit erklärt, dass das Schreiben Pilz in fast allen Passagen vorgelesen werden könne. Für eine politische Klärung und Konsequenzen in der Klubsitzung wäre eine Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht notwendig gewesen. Diese sei nicht erteilt worden.
Pilz war vor allem als Aufdecker politischer Skandale – Stichwort Eurofighter – bekannt. 1986 war er Mitglied des ersten grünen Parlamentsklubs; ihm gehörte er fast sein gesamtes politisches Leben an. Einzig zwischen 1991 und 1999 pausierte er, da engagierte er sich in der Wiener Landespolitik. Im Juli 2017 trat der Kapfenberger bei den Grünen aus und gründete seine eigene Liste. Sie schaffte bei der Wahl im Oktober den Einzug ins Parlament, die Grünen flogen hinaus. VN-RAM
„Wir müssen uns nun genau anschauen, wie alles abgelaufen ist.“