Unsichtbarer Schuldenberg

Auf den ersten Blick entspannt sich die finanzielle Lage. Es gibt aber ein Problem.
WIEN Auf 295 Milliarden Euro beliefen sich die Staatsschulden im vergangenen Jahr. Das entsprach, vom Kleinkind bis zum Greis, mehr als 33.000 Euro pro Kopf, beziehungsweise 83,6 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP).
Diese Quote will die künftige Regierung in Richtung 70 Prozent bewegen. Was zu einem guten Teil allerdings ohnehin schon passiert: Vor wenigen Tagen hat der Budgetdienst des Parlaments einen Bericht vorgelegt, wonach es sich bereits heuer „nur“ noch um 78,3 Prozent handeln dürfte.
Die Reduktion um ganze 5,3 Prozentpunkte ist weder durch ein größeres Sparpaket noch auf wundersame Art und Weise erfolgt. Ausschlaggebend ist zunächst einmal eine relativ gute Budgetlage mit einer geringen Neuverschuldung auf der einen sowie ein stärkeres Wirtschaftswachstum auf der anderen Seite. Allein das wird die Quote um voraussichtlich 3,7 Prozent drücken. Darüber hinaus fließt immer mehr Geld zurück, das einst in diverse Bankenrettungspakete gesteckt wurde. So hat die Abwicklungseinheit der „Hypo Alpe Adria“, die HETA, im vergangenen Juli 4,4 Milliarden Euro überwiesen; und diese Summe, die allein 1,2 Prozent des BIP entspricht, ist in den Schuldenabbau geflossen.
Alles eitel Wonne also? Noch lange nicht. Wie Michael Christl von der wirtschaftsliberalen Denkfabrik „Agenda Austria“ bestätigt, gibt es neben diesem sichtbaren Schuldenberg einen noch viel größeren, der in den offiziellen Zahlen nicht ausgewiesen wird und den man daher als unsichtbar bezeichnen könnte; Christl spricht dabei von „impliziten Schulden“. Das sind Verpflichtungen, die der Staat bereits eingegangen ist, die aber erst finanziert werden müssen. Vor allem die Pensionen fallen darunter. Grund: Das Pensionssystem ist ein Umlagesystem. Erwerbstätige kommen mit ihren Beiträgen immer nur für die jeweils gerade nötige Altersversorgung auf. Sie selbst erhalten ausschließlich Ansprüche bzw. die Zusicherung, eines Tages auch eine Pension zu bekommen. Finanziert ist diese noch nicht.
An der Universität im deutschen Freiburg haben Experten berechnet, was es bedeuten würde, wenn der Staat all seine Verpflichtungen mit einem Schlag erfüllen müsste.
Im Falle Österreichs hätte sich der Schuldenstand 2016 von über 80 auf 249 Prozent der Wirtschaftsleistung verdreifacht. Tendenz steigend. Laut Christl unterstreicht das den Handlungsbedarf für die Regierung: „Um diese impliziten Schulden in den Griff zu bekommen, ist dringend eine Pensionsreform nötig, denn in diesem Bereich zeichnet sich die größte künftige Belastung ab.“ JOH
„Um diese impliziten Schulden in den Griff zu bekommen, ist eine Pensionsreform nötig.“