Falsche Hoffnungen
Ja, so schnell kann es gehen. Die schwarz-blaue Regierung steht noch gar nicht, Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache sind noch am Verhandeln, da bekommen wir die Abneigung Brüssels gegen diese Regierung schon knallhart zu spüren.
In London müssen demnächst zwei hochangesehene Agenturen der EU ihre Büros räumen. Der Brexit lässt die Engländer spüren, was sie mit ihrer Abstimmung bewirkt haben. Die 900 Mitarbeiter der Europäischen Medikamentenagentur und die 160 Experten der Bankenaufsicht müssen ihre Koffer packen. Das ist ein gewaltiger Aderlass für Großbritannien. Am Montag haben in Brüssel die 27 EU-Staaten über die neuen Standorte der beiden Agenturen abgestimmt. Die Medikamentenagentur kommt nach Amsterdam und die Bankenaufsicht nach Paris. Und wir? Wien hat sich doch auch für beide europäischen Agenturen beworben. Wir hatten das beste Rundumpaket mit perfekten Büros, leer stehenden Wohnungen und mehrsprachigen Schulen. Ja schon, aber wir Österreicher gelten in Brüssel nicht mehr als 100-prozentige Europäer. Deshalb ist Österreich am Montag schon in der ersten Runde der Abstimmung mit großem Karacho durchgefallen.
Manche in Österreich glauben den Freiheitlichen noch, wenn sie Kreide geschluckt haben und ein Bekenntnis zu Europa ablegen, um dann in eine Koalition mit der ÖVP schlüpfen zu können. Im Europaparlament kennt man die blauen Kameraden besser. Die Doppelspitze der FPÖ bei der Europawahl 2014 bestand aus Andreas Mölzer und Harald Vilimsky. Mölzer bezeichnete die EU als Negerkonglomerat und musste sich schleichen. Der „Europafreund“ Vilimsky blieb beim Abspielen der Europahymne demonstrativ sitzen. Er schloss eine Fraktionsgemeinschaft mit der rechtsextremen Marine Le Pen, die nur das eine Ziel hat: die Europäische Union zu zerstören. Am 20. Februar 2016 forderte er von der EU finanzielle Besserstellungen für Österreich: „Wenn nicht, wäre es ratsam, auch ein Referendum über den Austritt Österreichs aus der EU, quasi den Öxit, anzudenken.“ Niemand wird im Ernst glauben, die EU würde einem Land eine so wichtige Agentur anvertrauen, wenn der erstarkte EU-Fraktionsführer einer zukünftigen Regierungspartei schon mit dem EU-Austritt spielt. Dann müssten die Agenturen wieder abwandern.
Viele Wähler behaupten immer wieder, sie würden mit ihrer Stimme nichts bewirken. Jene Österreicher, die bei der Wahl eine schwarz-blaue Koalition ermöglicht haben, wissen nun nach unserem kläglichen Absturz bei der Bewerbung um die EU-Agenturen, dass ihre Stimme in der Europapolitik schnell Auswirkungen hatte, wenn auch nur negative.
„Die Medikamentenagentur kommt nach Amsterdam und die Bankenaufsicht nach Paris.“
Arnulf Häfele
arnulf.haefele@vn.at
Arnulf Häfele ist Historiker und Jurist. Er war langjähriges Mitglied des Vorarlberger Landtags.