Freund Putin
In meinem letzten Kommentar habe ich festgestellt, dass der formelle Freundschaftsvertrag, den die Regierungspartei FPÖ vor zwei Jahren mit der Kreml-Partei „Einiges Russland“ abgeschlossen hatte, den Bewegungsspielraum von Kanzler Kurz und Außenministerin Kneissl gegenüber Russland und dessen Herrscher Wladimir Putin zweifellos einengt, gerade im Hinblick auf die aktuellen EU-Sanktionen nach dem Giftgasanschlag in England. Die Schwäche Österreichs für den skrupellosen Gewaltherrscher Putin ist mir als Schweizer nicht ganz verständlich. Bei mir erregt der russische Machtmensch, der bekanntlich in der Ukraine, auf der Krim, in Syrien und gegenüber Oppositionellen oder Rivalen im eigenen Land skrupellos vorgeht, deutlich mehr Angst als Bewunderung.
Aber vielleicht ist es gerade der Ruf nach dem „starken Mann“, der laut Meinungsumfragen zunehmend in Österreich um sich greift, der diese Putin-Bewunderung beflügelt. Und, wir begehen gerade 80 Jahre seit 1938, als auf dem Wiener Heldenplatz und in anderen österreichischen Landeshauptstädten die österreichischen Massen begeistert dem „starken Mann“ Adolf Hitler zujubelten: Ist es die Sehnsucht einer jäh zur winzigen Alpenrepublik geschrumpften imperialen Großmacht nach neuer Größe? Oder auch nur die Bewunderung von Macht?
Putin kommt bald, in zwei Monaten auf einen kurzen Besuch nach Wien. Mal sehen, ob ihm neben Bewunderung für seines autoritären Herrschaftsstil auch Skepsis und Kritik entgegenschlagen wird. Angebracht wäre letzteres allerdings.
Putin ist seit nahezu zwei Jahrzehnten an der Macht. In seiner Frühphase, als er bemüht war, diese Macht zu festigen, setzte er die Maske der Harmlosigkeit auf und verhielt sich gegenüber dem Westen einigermaßen kooperativ – als gewiefter Machtpolitiker offensichtlich, um sich den Rücken für die innenpolitische Machtkonsolidierung freizuhalten. Abgesehen von seinen knallharten Interventionen und Stellvertreterkriegen hat er offensichtlich versucht, die westliche Innenpolitik zu beeinflussen: die EU durch Unterstützung von rechtsextremen Parteien zu destabilisieren und selbst seinen langen Arm in der amerikanischen Innenpolitik durch Wahlbeeinflussung bemerkbar zu machen. Das kleine Österreich kann Putin, kann Russland natürlich nicht bremsen. Aber für Putin bedeutet jeder Sympathiebeweis, jede Freundschaftsgeste eines Staates – und gerade eines so sympathischen, unschuldigen, neutralen, walzer- und operettenverbrämten Landes wie Österreich ein Pluspunkt auf dem internationalen Parkett.
Etwas mehr kühle Zurückhaltung und, gerade als glaubwürdiger Neutraler, kritischer Positionsbezug wären für Österreich durchaus angebracht.
„Mehr kühle Zurückhaltung und kritischer Positionsbezug wären für Österreich angebracht.“
Charles E.
Ritterband
charles.ritterband@vn.at
Dr. Charles E. Ritterband ist Journalist und Autor sowie langjähriger Auslandskorrespondent der Neuen Zürcher Zeitung (seit 2001 in Wien).