Warum die Grünen verloren haben

Analyse zeigt, dass es nicht nur an Pilz und Glawischnig gelegen ist.
WIEN Dass die Grünen bei der Nationalratswahl 2017 auf 3,8 Prozent „gedrittelt“ und damit aus dem Hohen Haus geworfen wurden, hat viele Gründe. Und darunter auch solche, die erst jetzt durch einen Analyseband, den die Politologen Fritz Plasser und Franz Sommer geschrieben haben, deutlich werden; sie sind ein Lehrbeispiel dafür, wie man in der Politik nicht erfolgreich sein kann.
Die Wahlen standen „im Schatten der Flüchtlingskrise“, wie die Experten schon durch den Buchtitel zum Ausdruck bringen: Dieser Hintergrund habe den Triumph des nunmehrigen Kanzlers Sebastian Kurz (ÖVP) begünstigt. Durch sein Engagement in Bezug auf die „Balkanroute“ sowie unmissverständliche Positionierungen war er bei dem Thema profiliert, das die Massen am stärksten beschäftigte. Schon mit seiner ÖVP-Übernahme im Mai 2017 kam es daher zu einer demoskopischen Eruption, die laut Plasser und Sommer „beispiellos“ ist: Praktisch von einem Tag auf den anderen legte die Neue Volkspartei um die Hälfte zu und kam laut „GfK Austria“-Institut auf 33 Prozent. Die SPÖ verlor in den Sonntagsfragen leicht, die FPÖ stärker – und dabei sollte es bis zum Urnengang am 15. Oktober im Wesentlichen auch bleiben.
Die Grünen spielten daneben fast in einer eigenen Liga, jedenfalls bewegten sie sich auf viel niedrigerem Niveau und verloren im Laufe der Zeit einen Prozentpunkt nach dem anderen. Dazu beigetragen haben wohl Auseinandersetzungen mit dem eigenen Nachwuchs, der Rücktritt von Eva Glawischnig sowie der Abschied von Peter Pilz, der letztlich ja darin gipfelte, dass er bei der Wahl auch noch mit einer konkurrierenden Liste antrat.
Flüchtlingskrise wahlentscheidend
Das ist jedoch noch lange nicht alles. Auffallend bei den Daten und Analysen, die Plasser und Sommer präsentieren, sind noch zwei Dinge, die aufschlussreich sind: Die Flüchtlingskrise war alles in allem wie gesagt wahlentscheidend. Und da vertraten ein Drittel der Grünen-Wähler Positionen, die man nicht unbedingt der Partei zuschreiben würde. Im Gegenteil, 32 Prozent stimmten der Aussage zu, dass es keine Möglichkeit mehr gebe, weitere Flüchtlinge aufzunehmen. Und immerhin 31 Prozent forderten bei einer entsprechenden GfK-Austria-Befragung „noch schärfere Maßnahmen, um den Zustrom von Flüchtlingen einzudämmen“. Wohl eher angeboten hat sich für solche Positionen ganz besonders Kurz.
Noch dramatischer für die Ökopartei war allerdings, dass sie selbst inhaltlich über den gesamten Wahlkampf hinweg keine Rolle spielte; da war sie viel zu weit weg vom Alltag der Menschen: „Welche der für Nationalratswahlen kandidierenden Partei/Liste hat in den letzten Wochen am häufigsten Probleme angesprochen, um die Sie sich persönlich ernste Sorgen machen“, fragte das Meinungsforschungsinstitut regelmäßig. 21 bis 28 Prozent nannten die ÖVP, 15 bis 22 Prozent die SPÖ und 14 bis 30 Prozent die FPÖ. Die Neos schafften bis zu fünf Prozent.
Und die Grünen? Wie die Liste Pilz, die sich am Ende knapp gegen sie durchsetzen konnte, kamen sie nie über drei Prozent hinaus. JOH

Fritz Plasser, Franz Sommer: Wahlen im Schatten der Flüchtlingskrise. Verlag „Facultas“, Wien 2008, 181 Seiten, 19,80 Euro