Peter Kaiser, Trickserkönig
Peter Kaiser war mir als Fadbär mit Anstand lieber. Der Kärntner Landeshauptmann errang mit seiner seriösen Art bei der Landtagswahl beachtliche 48 Prozent der Stimmen für die SPÖ, doch dann musste er vergangene Woche ja das Rollenfach wechseln und avancierte zum Trickserkönig: Er zog seinen Koalitionspartner ÖVP mit altmodischen Machtspielchen über den Tisch, die ihm in den nächsten fünf Jahren quasi die Alleinherrschaft sichern. Praktisch für die SPÖ. Und viele politmediale Beobachter sind jetzt ganz angetan: Respekt, der Kaiser mit seinen Strategien, hätte man dem faden Kerl gar nicht zugetraut!
Ich sehe da wenig Grund für Bewunderung und viel alte Politik. Der Kärntner ÖVP-Chef Christian Benger überraschte Kaiser nach dem schon ausgehandelten Koalitionspakt am Mittwoch mit seinem Rücktritt – im Hintergrund dürfte die türkise Bundespartei daran nicht ganz unbeteiligt gewesen sein, aber da war wohl auch die Kärntner Landesgruppe aktiv; das sind Leute, die „Blut muss spritzen“ in sozialen Medien posten und auch sonst ein Intriganz-Problem haben dürften. Kaiser war offensichtlich entrüstet über diese Aktion der anderen Seite, dann nutzte er die Gelegenheit und überraschte den designierten ÖVP-Chef Martin Gruber am Donnerstagmorgen mit einem Ultimatum: Die Volkspartei müsse bis abends drei Punkten zustimmen, sonst wäre der Koalitionspakt gestorben. Kaisers wichtigster Punkt: In dieser Legislaturperiode soll das Einstimmigkeitsprinzip in der Landesregierung ausgesetzt werden, damit kann eine einfache Mehrheit Beschlüsse fassen – gegen die SPÖ mit ihren 18 von gesamt 36 Mandaten geht gar nichts mehr. Unter Zeitdruck stimmte die ÖVP der De-facto-Alleinregierung der Roten zu. Kärnten im Siebzigerjahre-Stil, die absolut regierende SPÖ Leopold Wagners konnte auch so feine Machtspiele.
Kaisers Erfolg ist allerdings nicht das Ergebnis durchdachter Strategie, sondern einfache Taktik. Dafür muss man echt keinen Machiavelli oder Sunzi lesen, Machtratgeber, an die vor allem jene glauben, die so gerne mächtig wären. Der gewiefte Trickserkönig Kaiser bekommt dennoch viel mehr Anerkennung als dem anständigen Sachpolitiker Kaiser zuteil wurde. Auch deprimierend.
Dass Kaiser die erst 2017 neu beschlossene Landesverfassung für sein bequemes Regieren ändern will, scheint zweitrangig. Genauso wie die Tatsache, dass der rote Taktiksieg Kärntens Probleme nicht lösen kann: Abwanderung, Armut und Arbeitslosigkeit sind hier nach wie vor große Themen. An den Erfolgen in diesen Bereichen kann man Peter Kaiser 2023 messen – dort Grundlegendes zu verbessern wäre eine größere Leistung, als eine angeschlagene Partei ohne Plan auszuspielen.
„Kaisers Erfolg ist allerdings nicht das Ergebnis durchdachter Strategie, sondern einfache Taktik.“
Julia Ortner
julia.ortner@vn.at
Julia Ortner ist Journalistin mit Vorarlberger Wurzeln und lebt in Wien. Podcast: @ganzoffengesagt
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