Der Elchtest
Ja, es stimmt. Noch vor ein paar Jahren hat fast jede Gemeinde des Landes davon geträumt, die Möbelfirma mit dem Elch einzufangen. So ist es nicht mehr. Nur wenige sind noch in der Lage, auf der grünen Wiese unglaubliche 10.000 Quadratmeter Grund für eine überbesetzte Branche anzubieten. Die Lustenauer haben es gerade noch geschafft, nachdem sie im Raumplanungsbeirat des Landes die Genehmigungshürde mit elf gegen zehn Stimmen knapp übersprungen haben. Das Ikea-Projekt stand also von Anfang an auf wackeligen Beinen. Nun hat die katastrophale Verkehrssituation in Lustenau zur Kollision mit der Elch-Firma geführt und das Projekt zum Umkippen gebracht.
Die Sprecherin von Ikea hat den Rückzug ihrer Firma gut begründet: Das Denken im Konzern habe sich geändert, es würden neue Formate für die Kunden entwickelt, und das Verkehrsproblem sei ungelöst. Die Bürgerinitiative „Lebenswertes Lustenau“ und die Weltfirma Ikea sahen in erstaunlichem Gleichklang das ungelöste Verkehrsproblem als das Hindernis schlechthin. Ikea will keine schlecht gelaunten Kunden, die lange im Stau stehen, bevor sie in Kaufstimmung kommen sollen. Die Bürgerinitiative hat mit Hinweis auf die Fakten begründen können, dass sich das tägliche Leiden der Lustenauer im Straßenverkehr, auch durch den Feinstaub, den man nicht sehen kann, noch verstärken würde. So haben in kürzester Zeit weit über 3000 Bürger für die Abhaltung einer Volksabstimmung unterschrieben. Das ist ein beachtlicher Erfolg der direkten Demokratie, den man nicht kleinreden kann. Die Expertise des hoch angesehenen Internisten Dr. Simon Zünd vom Komitee hat viele überzeugt.
Die Abhaltung einer Abstimmung ist natürlich jetzt nicht mehr sinnvoll. Der Landtag muss nun mit einer Änderung des Volksabstimmungsgesetzes schnellstens die Möglichkeit schaffen, sie abzusagen. Frühere Gesetzgeber haben nämlich unter Anwendung ihres Hausverstands angenommen, eine Volksabstimmung sei immer automatisch hinfällig, wenn der Grund dafür nicht mehr vorhanden sei.
Man muss den Befürwortern und den Gegnern einer Ikea-Ansiedlung in Lustenau ein besonderes Lob aussprechen. Das Austauschen der Argumente hat auf erstaunlich sachlicher Ebene stattgefunden. Das ist angesichts des Lustenauer Temperaments und bei Betrachtung früherer Auseinandersetzungen nicht selbstverständlich. Möglicherweise ist den Lustenauern auch einiges erspart geblieben: Die Gemeinde ist nicht gespalten. Beide Gruppen können bei der dringenden Lösung des Verkehrsproblems und bei der äußerst sensiblen Verwertung des freien Grundstücks zusammenarbeiten. Vielleicht haben sogar die findigen Kabarettisten ein bisschen recht, die behauptet haben, der Bürgermeister habe in frecher Anlehnung an ein Bibelwort heimlich gebetet: „Lass diesen Elch an mir vorübergehen!“
„Man muss den Befürwortern und den Gegnern einer Ikea-Ansiedlung ein besonderes Lob aussprechen.“
Arnulf Häfele
arnulf.haefele@vn.at
Arnulf Häfele ist Historiker und Jurist. Er war langjähriges Mitglied des Vorarlberger Landtags.