Harte Landung nach Bilderbuchbesuch
Der Bundeskanzler hat seit Freitag, 9.15 Uhr wieder österreichischen Boden unter seinen Füßen. Er muss damit die Faszination Fernost hinter sich lassen. Eine perfekt inszenierte Reise geht zu Ende, bei der Österreich alles aufgefahren hat, was ging, inklusive der siebenjährigen Anna Cäcilia, die auf der Mozart-Geige für Staatspräsident Xi Jinping spielte.
China ist als Exportmarkt eine große Chance und für Sebastian Kurz war die Delegationsreise eine außerordentlich gut genutzte Möglichkeit, im Bereich der Wirtschaftskompetenz Bonuspunkte zu sammeln. Alle wissen, dass die angeblich 1,5 Milliarden schweren Wirtschaftsverträge auch ohne die Reise zusammengekommen wären. Alle wissen, dass die Chinesen mit ihren Pandabären, mit deren Hilfe westliche Besucher verzückt werden, geschickt Diplomatie betreiben. Und dennoch: Jeder muss anerkennen, dass die Reise ein wertvoller Beitrag zur Diplomatie mit China war, handwerklich professionellst gestrickt. Ein großer Delegationstross, eingebettete Berichterstatter, Newsletter mit den erreichten Erfolgen an die eigenen Wähler, samt der Möglichkeit, zu voten. Mit Abstimmungen wie diesen sind auch die in der Heimat Zurückgebliebenen dabei: „Was hältst du davon, dass Sebastian Kurz einen so großen Schwerpunkt auf Außenpolitik und Handel legt?“. Eine Antwort ist nur ohne Grauschattierungen möglich: „Finde ich super“ und „Finde ich nicht gut“. Super, eh klar.
Jetzt aber, nach dem Bilderbuchbesuch, hat der Ernst des Lebens die Bundesregierung wieder fest in seinen Krallen. Auf Bundeskanzler Kurz‘ Agenda steht indirekt der Föderalismus ganz oben, in zweierlei Gestalt.
Einerseits liegt Justiz- und Reformminister Josef Moser erkrankt im Spital, er hat offenbar bei einer Impfung eine Blutvergiftung eingefangen. Die körperliche Schwächung kommt zu einer Zeit, da Moser zumindest als angezählt gilt. Er, der das Land verändern wollte – und schon erwähnt hat, dass er, wenn keine Reformen möglich wären, zurücktreten würde. Kein Wunder, dass nach den Diskussionen ums Justizbudget die Rücktrittsgerüchte in Wien nicht verstummen wollen. Kurz muss klären, wie es mit seinem Minister weitergeht. Dabei war Moser noch nie ein Liebling der Länder. Der ursprüngliche Plan von Kurz, ihn als Finanzminister zu installieren, war nicht durchsetzbar. Als Rechnungshofpräsident war Moser nicht als Föderalist aufgefallen, das haben sich die Landeshauptleute gemerkt.
Insgesamt rücken Konflikte mit den Ländern wieder auf die Tagesordnung.
1. Konkret gibt es Widerstand beim Entfall des Pflegeregresses. Hier werden die Länder darum kämpfen, dass der Bund nicht nur 100 Millionen, sondern die tatsächlichen Kosten von rund 600 Millionen übernimmt, weil nicht mehr auf Vermögen von Pflegepatienten oder Angehörigen zugegriffen wird.
2. Auch beim „Familienbonus“ sind die Länder in Opposition zur Bundesregierung, hier geht es um 285 Millionen Euro, die den Ländern fehlen.
3. Noch nicht exakt abschätzbar, aber bestimmt einige Hundert Millionen werden die groß angekündigten Sprachklassen für Kinder mit schlechten Deutschkenntnissen kosten.
Wesentlich größer wird der Widerstand in Sachen der geplanten Krankenkassenzusammenlegung werden, hier bleibt es aber vorerst beim Säbelrasseln. Doch es ist klar erkennbar, dass die Länder diese bittere Pille nicht ohne Nebenwirkungen für die Bundesregierung schlucken werden.
„Auf Bundeskanzler Kurz‘ Agenda steht jetzt der Föderalismus ganz oben, in zweierlei Gestalt.“
Gerold Riedmann
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Gerold Riedmann ist Chefredakteur der Vorarlberger Nachrichten.
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