Vor einer Zerschlagung wird gewarnt

Zur AUVA liefert die Sozialministerin mehr Fragen als Antworten.
WIEN Der Staat Österreich ist gewissermaßen zweigeteilt: Auf der einen Seite gibt es die Gebietskörperschaften, die unter parteipolitischer Kontrolle stehen. Und auf der anderen Seite die Sozialversicherungen, die von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern verwaltet werden. Wobei bemerkenswert ist, dass ähnliche Summen im Spiel sind: 2017 betrugen die Steuereinnahmen, die dem Bund geblieben sind, 51,7 Milliarden Euro. Die Sozialversicherungen verzeichneten Beitragseinnahmen von 50,9 Milliarden Euro. Und weil Geld immer auch Macht ist, kann es Spannungen zwischen den beiden geben.
Vor allem jetzt, da die Regierung angetreten ist, die Sozialversicherungen definitiv zusammenzustutzen. Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter sind alarmiert. Zumal Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) präzisiert hat, dass sie keine Zukunft für die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) sieht, aber offengelassen hat, was mit deren Aufgaben passieren soll.
Historisch gewachsen
Die eigene Unfallversicherung ist neben der Kranken- und der Pensionsversicherung historisch gewachsen: Ein schwerer Arbeitsunfall, nach dem keine Erwerbstätigkeit mehr möglich ist, hat einst noch viel wahrscheinlicher zu bitterer Armut geführt. In der Regel gab es keine Entschädigung. Mit der Unfallversicherung änderte sich das. Damit wurde eine solidarisch finanzierte Rente eingeführt.
Die AUVA hat sich im Laufe der Zeit um immer mehr gekümmert. Um Unfallprävention und Rehabilitation etwa. Oder um Unfallchirurgie. Sie betreibt sieben Spitäler. Eines davon ist nach einem gebürtigen Wolfurter benannt: Der 1973 verstorbene Lorenz Böhler hat die Versicherung dazu gebracht, Büroräumlichkeiten in ein Krankenhaus umzuwandeln. Daraus ist das heutige Unfallkrankenhaus Lorenz Böhler in Wien entstanden.
4,9 Millionen Versicherte
Die AUVA hat 5900 Mitarbeiter, 4,9 Millionen Versicherte und ein Jahresbudget von 1,4 Milliarden Euro. Dass Hartinger-Klein nun angekündigt hat, sie aufzulösen, überrascht insofern, als ÖVP und FPÖ zunächst nur verlangt haben, sie müsse 500 Millionen Euro einsparen – und sich die AUVA auch darum bemüht. Wobei sie größere Potenziale sieht: Obmann Anton Ofner, ein Wirtschaftskammer-Funktionär, meint zum Beispiel, dass sie den Krankenkassen für Leistungen, die nach Arbeitsunfällen erbracht werden, mit einem Pauschalbetrag von über 200 Millionen Euro „etwa 150 Millionen zu viel“ überweise.
Das Problem: Was sie weniger zahlt, fehlt den Kassen. Und das wäre im Endeffekt ein Nullsummenspiel. Im schlimmsten Fall müssten dann die Steuerzahler einspringen. Bemerkenswert ist, dass schon Ex-Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) die London School of Economics beauftragt hat, eine AUVA-Auflösung zu untersuchen. Im 1393 Seiten starken Endbericht werden Möglichkeiten skizziert: Vor einer Zerschlagung wird gewarnt. Wenn, dann sollten eher alle Aufgaben zusammen einem einzigen Versicherungsträger übergeben werden. JOH