Der türkische Präsident will sich stärken lassen

Erdogan warnt Österreich vor Verbot von Wahlkampfauftritten.
Wien Die völlig überraschend von 2019 auf diesen 24. Juni vorgezogenen Präsidenten- und Parlamentswahlen in der Türkei werfen bereits außenpolitische Konflikte voraus. Staatschef Recep Tayyip Erdogan, der Wahlreden auch vor zehn bis elf Millionen Auslandstürken halten will, sieht sich von der Ablehnung solcher Auftritte in Österreich durch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) vor den Kopf gestoßen. Auch der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) hält fest, dass er keine türkischen Wahlkampfauftritte im Land wolle und schon gar nicht, dass politische Konflikte im Heimatland nach Vorarlberg getragen werden.
Auf die Aussagen in Österreich drohte Erdogan am Wochenende mit Vergeltung: „Diese ergriffenen Maßnahmen werden auf es selbst zurückfallen.“ Schon einmal hatte er den österreichischen Archäologen in Ephesus die Grabungen eingestellt.
Stärkung der AKP
Um seine Wiederwahl als Präsident braucht sich Erdogan diesmal aber keine Sorgen zu machen. Einzige ernst zu nehmende Gegenkandidatin ist Meral Aksener von der neu gegründeten „Iyi“, der „Guten Partei“. Abgesehen von der Zugkraft dieses plakativen Namens stellt ihre Gruppierung eine Alternative zu den populären säkularen Nationalisten der MHP dar. Diese haben sich vor der Wahl mit Erdogans AKP zu einer „Volksallianz“ zusammengeschlossen. Das müsste arithmetisch in der kommenden türkischen „Nationalversammlung“ eine absolute, wenn nicht gar Zweidrittelmehrheit ergeben. Tatsächlich dürfte sich aber das nationalistische Stimmpotenzial weitgehend der Iyi-Partei zuwenden. Das braucht jedoch längere Zeit. Daher Erdogans Flucht nach vorn in die Neuwahlen.
Ein weiteres Hauptmotiv für die Juni-Wahlen ist der eben erst verlängerte Ausnahmezustand in der Türkei. Anderswo wäre so etwas
undenkbar, doch das Regime Erdogan argumentiert unverblümt, dass ihm die geltenden Notverordnungen die Kontrolle linker und kurdischer Kräfte entscheidend erleichtern.
Positionierung gegenüber den USA
Von offizieller Seite begründet man die Eile für die vorgezogenen Wahlen ganz anders. Ministerpräsident Binali Yildirim spricht von der Notwendigkeit, dass sich die Türkei inmitten einer völlig veränderten Weltlage durch Neuwahlen festigen muss. Erdogan hat das in seiner Rede vom Samstag dann auch noch näher ausgeführt. Hauptproblem der Türkei seien heute die Meinungsverschiedenheiten mit ihren strategischen Verbündeten, den USA. Im Einzelnen nannte der türkische Präsident die Entscheidung von Ankara, russische S-400-Raketen zu kaufen, das amerikanische Asyl für Erdogans innenpolitischen Widersacher Fethullah Gülen und die US-Unterstützung für die syrischen Kurden. Die Wahlen würden auch eine Abstimmung über das künftige Verhältnis zu den USA sein. GSTRE
„Diese von Österreich ergriffenen Maßnahmen werden auf es selbst zurückfallen.“