Antiaggressionstraining für Politiker!
Verrohte Sprache und martialische Ausdrucksweise, das können die Politiker unseres Landes derzeit besonders gut. In der polarisierten Atmosphäre bedeuten offensichtlich schon der innenpolitische Alltag und vier Plenartage im Parlament eine derart zusätzliche Belastung, dass man manchen mitfühlend ein Antiaggressionstraining verordnen möchte. Sprache schafft Bewusstsein, und dieses Bewusstsein möchte ich lieber nicht in der Politik haben: aggressiv, angstmachend, verächtlich, im besten Fall tief.
Wenn der Neos-Chef Matthias Strolz im Hinblick auf den politischen Islam in sozialen Medien vor einem mittelfristig drohenden „Bürgerkrieg“ in Österreich warnt – als FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache dieses Wort in den Mund nahm, war die Aufregung groß. Geht es eine Nummer kleiner?
Wenn der ÖVP-Abgeordnete Efgani Dönmez sich auf Twitter wegen der türkischen Wahlen und ihrer Einflussnahme am Schauplatz Österreich sorgt, aber schon sicherheitshalber „entsprechende Maßnahmen“ in Aussicht stellt: „Ab jetzt weht ein anderer Wind.“ Sehr beruhigend.
Wenn Norbert Steger, ORF-Stiftungsrat für die FPÖ, in einem offenherzigen „Kurier“-Interview von einem „Endkampf der Linken“ im ORF spricht (nebenbei auch unangenehm für die Regierungspartei FPÖ, weil sie sich damit nach öffentlichen Auseinandersetzungen mit dem Rundfunk noch mehr in der Anti-ORF-Rolle positioniert, aus der man nicht so schnell herauskommt). Die „roten Gfrieser“ von Andreas Khol lassen grüßen.
Wenn Christian Kern, SPÖ-Vorsitzender, beim Mitgliederrat in Wien zur Unterhaltung seines Publikums von den Regierungsparteien als „Moskauer Pyramide“ spricht: „Zwei B‘soffene, die sich gegenseitig abstützen.“ Weit unterhalb des Ironie-Niveaus, das Kern beherrscht.
Wenn der FPÖ-Abgeordnete Wolfgang Zanger in einer wilden Parlamentsrede über den „Oberschlepper Kern“ und die alte Regierung schimpft (übrigens wird ihm umgehend von politischen Kritikern attestiert, wohl betrunken zu sein – als wäre es nicht tendenziell bedenklicher, nüchtern solche Dinge zu sagen).
Oder wenn Alfred Noll, Abgeordneter der Liste Pilz, dem FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz vom Rednerpult aus ausrichtet: „Herr Kollege, wir kämpfen intellektuell in einer anderen Gewichtsklasse.“ Verachtung als Witz getarnt, eine sehr erwachsene Art des Diskurses.
Abgesehen von den persönlichen Untergriffen kann man über alle diese Themen diskutieren – aber vernünftig und differenziert. So erleben wir das Modell „Männer am Rande des Nervenzusammenbruchs“. Denn auch wenn Politikerinnen nicht die besseren Menschen sind, fällt doch auf, dass sich vor allem Politiker aggressiver Sprache bedienen. Sicher nur Zufall.
„Die Alltagssprache in der Politik: aggressiv, angstmachend, verächtlich, im besten Fall tief. “
Julia Ortner
julia.ortner@vn.at
Julia Ortner ist Journalistin mit Vorarlberger Wurzeln und lebt in Wien. Podcast: @ganzoffengesagt
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