Bund schreitet bei Sozialhilfe ein

Kurz und Strache legen Eckpunkte fest. Landesrätin Wiesflecker spricht von ungutem Stil.
Wien Elf Tage hat die Vereinbarung zwischen Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) und den Soziallandesreferenten gehalten. Bis Ende Juni hätten sie eigentlich Zeit gehabt, um einen einheitlichen Vorschlag zur Mindestsicherung auszuarbeiten. Dazu wird es nicht mehr kommen. Denn schon Anfang Juni will die schwarz-blaue Bundesregierung einen eigenen Gesetzesentwurf zur Mindestsicherung in Begutachtung schicken. Das kündigten Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und sein Vize Heinz-Christian Strache (FPÖ) am Dienstag bei einer Pressekonferenz an. Die roten und grünen Soziallandesräte reagieren umgehend empört. Die ÖVP-Landespolitiker äußern hingegen Lob oder halten sich zurück. Der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner will die Vorschläge der Bundesregierung abwarten.
Grundsatzgesetz geplant
Die einheitliche Mindestsicherung steht bereits seit mehreren Jahren auf der Agenda der Regierenden. Erfolgreich war das Vorhaben bisher nicht. 2016 ist es vor allem am Protest der damaligen niederösterreichischen Landesrätin Barbara Schwarz (ÖVP) gescheitert, die auf einen Sozialhilfe-Deckel von 1500 Euro pro Haushalt bestanden hatte. Im Jänner 2017 setzte das ÖVP-geführte Land diese Obergrenze um, 2018 hat sie der Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig gekippt. Jetzt sollte es einen neuen Anlauf der Länder geben. Für Anfang Mai war bereits ein Termin auf Beamtenebene geplant, um zu erörtern, was außer Streit steht und welche Punkte noch strittig sind. Auf diese Arbeit können die Länder nun verzichten. Der Bund übernimmt. Dieser kann auf Basis des Artikel 12 der Bundesverfassung über ein Grundsatzgesetz die Eckpunkte der Mindestsicherung festlegen. Die Länder haben dieses dann auszuführen. Was genau geplant ist, lassen Kurz und Strache offen. Menschen, die neu ins System kämen, dürften aber nicht das gleiche erhalten, wie jene, die seit Jahrzehnten hier seien, erklären sie lediglich. Im Regierungsprogramm ist von mehr Sachleistungen und Sanktionen die Rede, ebenso wie von einer Deckelung und einer Wartefrist.
„Affront gegenüber Ländern“
Mit dem Grundsatzgesetz will die Koalition den Bundesländern das Feld nicht mehr alleine überlassen. Sie könnten sich aber allemal einbringen, indem sie sich im Begutachtungsverfahren zum Gesetzesentwurf äußern. Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne) erwartet sich ein Grundsatzgesetz, das regionalen Spielraum zulässt. Außerdem betont sie, dass die Mindestsicherung keine Versicherung sei, sondern Mindestbedürfnisse abdecken müsse. Das Vorgehen von Schwarz-Blau bezeichnet Wiesflecker als Affront gegenüber den Ländern. Sie hatte erst durch die Pressekonferenz von den Regierungsplänen erfahren – genau elf Tage, nachdem die Soziallandesräte eine völlig andere Vereinbarung mit der Sozialministerin getroffen hatten. „Der neue Stil ist ein unguter Stil und kein besonders wertschätzender Umgang mit den Ländern und auch nicht mit der Sozialministerin“, sagt Wiesflecker.