Aufregung um Kassenprivilegien

Sozialversicherung und Kammer weisen schwarz-blaue Vorwürfe erzürnt zurück.
Wien Dienstwagen sind eigentlich keine Seltenheit. Ministerien haben welche, Botschaften auch, ebenso die Krankenkassen. 160 Wagen besitzen die Sozialversicherungen derzeit, bei 27.000 Mitarbeitern und 1000 Funktionären. Für die schwarz-blaue Bundesregierung ist das zu viel an Privileg. Zumindest sind die 160 Autos eine Zahl, an der Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und sein Vize Heinz-Christian Strache (FPÖ) den Reformbedarf der Kassen festmachen wollen. Sie hätten keine Angst vor Einschnitten, auch nicht vor den Widerständen dagegen. Mit dem Aufschrei am Mittwoch hätten sie aber wohl nicht gerechnet. Dieser richtet sich weniger gegen die Reform, sondern vielmehr gegen den Stil der Bundesregierung. Der Vorarlberger Arbeiterkammer-Präsident Hubert Hämmerle rät den Sozialversicherungen sogar, gerichtlich gegen die Falschbehauptungen der Bundesregierung vorzugehen.
Denn es war nicht nur die Zahl der 160 Dienstwagen, welche Schwarz-Blau als Beweis für die zu teure Verwaltung der Sozialversicherung gestreut hatte, sondern auch jene der 1000 Kassenfunktionäre. Dass über 90 Prozent von ihnen ehrenamtlich arbeiten, wurde nicht erwähnt. Auch nicht dass die meisten Dienstwagen für Krankenbesuche und Beitragsprüfungen genutzt werden. Hauptverbandschef Alexander Biach hält außerdem fest, dass die Kassen – anders als von der Regierung behauptet – nicht mit Rücklagen spekulieren. Diese seien sicher veranlagt. Außerdem seien Rückstellungen für unvorhergesehene Ausgaben – etwa im Falle einer Epidemie – verpflichtend.
Auch der Direktor der Vorarlberger Arbeiterkammer, Rainer Keckeis, ist empört. Was die Regierung mache, sei unterste Schublade und an Präpotenz nicht zu überbieten. ÖVP und FPÖ gehe es nur um Machtpolitik. Sie arbeiteten auf Kosten der Arbeitnehmer: „Was damals unter Schwarz-Blau von Wolfgang Schüssel als soziale Kälte bezeichnet wurde, ist im Vergleich zur heutigen Regierung ein feiner Südföhn gewesen.“
Eine von der Regierung gestreute Zahl ist aber Fakt: 330 Millionen Euro werden derzeit für Luxuspensionen in der Sozialversicherung ausbezahlt. All jene Personen, die ihr Dienstverhältnis vor 1996 begonnen haben, erhalten zusätzlich zu ihrer ASVG-Pension eine Dienstordnungspension. In alte Verträge eingreifen kann die Sozialversicherung aber nicht. Dies wäre Sache des Gesetzgebers, ähnlich wie beim 2014 beschlossenen Sonderpensionenbegrenzungsgesetz.
„Wir stehen erst am Anfang des Weges“, sagte Neos-Mandatar Gerald Loacker damals. Seither ist wenig passiert. Es wäre etwa längst überfällig, auf die jährliche Inflationsanpassung der Zusatzpensionen zu verzichten, meint Loacker. Die Aufregung um die Sozialversicherung versteht er nicht. Privilegien gehörten abgeschafft, zum Beispiel der erhöhte Kündigungsschutz für Mitarbeiter der Sozialversicherungen. Eine Zusammenlegung der Träger sei außerdem nötig. Diese müsste ebenfalls die Beamtenversicherung treffen, meint der Neos-Mandatar. Auch sie gehöre unter das Dach einer Österreichkasse. Die Regierung hat das nicht geplant. „Sie verschont damit den Träger für Beamte und Eisenbahner und verfestigt selbst Privilegien.“
„Die Regierung lässt sich auf Stammtischniveau herab. Das ist unterste Schublade.“
