EUphorie
Sorry, Briten. Leere Regale in euren Supermärkten nach einem Hard Brexit wären die beste Wahlkampfhilfe für die EU-Wahl Ende Mai. Vor allem pro-europäische Parteien könnten insgeheim diesen Wunsch hegen, wenn auch natürlich nie öffentlich äußern. Aber das Brexit-Drama hat wohl vielen EU-Bürgern die Vorteile der Union gezeigt. Denn die EU befindet sich in einem Allzeit-Stimmungshoch. 77 Prozent der Österreicher stehen ihr positiv oder zumindest neutral gegenüber. Die Zustimmung ist bei Jung und Alt deutlich gestiegen. Laut Eurobarometer glaubt ein Drittel, dass sich die Dinge in der EU derzeit richtig entwickeln und auch die Skepsis gegenüber Einwanderung hat nachgelassen. Unterm Strich sehen 58 Prozent die Zukunft der EU positiv.
„77 Prozent der Österreicher stehen der EU positiv oder zumindest neutral gegenüber.“
Dieser Optimismus überrascht. Hat doch die EU in den letzten Jahren wenig Lösungskompetenz bewiesen. So liegt fünf Wochen vor dem Ausscheiden Großbritanniens immer noch kein Verhandlungsergebnis am Tisch, was allerdings zu einem guten Teil dem britischen Eigensinn geschuldet ist. Zum Unvermögen, eine europäische Lösung zu Asyl und Migration zu finden, kommt jetzt noch die scheinheilige Haltung zu den IS-Rückkehrern. Donald Trump mag in den meisten Fragen kein politischer Ratgeber sein, aber bei seiner Forderung nach Rücknahme der europäischen IS-Kämpfer hat er eindeutig recht. Wenn die Kurden oder Türken diese aus ihren Gefängnissen entlassen, droht eine Terrorwelle nach Europa zu schwappen. Um das zu verhindern, müssen europäische Staaten Verantwortung für ihre Staatsbürger übernehmen und diese hier vor Gericht stellen. Gleiches verlangt die österreichische Bundesregierung von anderen Ländern bei deren straffällig gewordenen Bürgern. Rasche Abschiebungen sind keine Einbahnstraßen.
Im beginnenden EU-Wahlkampf können wir uns Antworten darauf erwarten. Doch viel mehr steht zu befürchten, dass auch heuer österreichische Interessen europäische Visionen verdrängen. Oder prominente Gesichter in den Vordergrund rücken. Diesmal versuchen es die Grünen mit Promi-Köchin Sarah Wiener auf dem zweiten Platz. Wiener ist eine gute Köchin und eine erfolgreiche Unternehmerin. Das qualifiziert sie allerdings noch nicht zu einer Politikerin. Gerade der Politikbetrieb in Brüssel und Straßburg ist hochkomplex. Wer da mit wenig Erfahrung einsteigt, geht gerne unter. Beispiele, die gegen prominente Quereinsteiger bei EU-Wahlen sprechen, lieferten andere Parteien in den Jahren zuvor. Oder was blieb von Ursula Stenzel, Eugen Freund, Hans-Peter Martin? Europa braucht politische Vollprofis. Mehr denn je in einer Situation, wo wir alle erkennen, dass wir Europa brauchen.
FH-Prof. Kathrin Stainer-Hämmerle, eine gebürtige Lustenauerin, lehrt Politikwissenschaften an der FH Kärnten.
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