Gehaltsvorrückung trotz Karenz

ÖVP und FPÖ sehen Sozialpartner in der Pflicht. Angekündigtes Gesetz verschoben.
Wien Vor 100 Jahren haben Frauen erstmals gewählt, seit Mitte der 70er sind sie in der Ehe gleichgestellt, etwas später wurde der Privatwirtschaft gesetzlich verboten, jemanden aufgrund seines Geschlechts schlechter zu bezahlen. Trotzdem verdienen Frauen noch immer weniger als Männer. Zwar lässt sich der Einkommensunterschied laut Statistik Austria nicht gänzlich erklären, allerdings gibt es einige ausschlaggebende Faktoren. So sind Frauen öfter in schlechter bezahlten Dienstleistungsberufen tätig. Ebenso fällt die Familiengründung ins Gewicht, da sie in den meisten Fällen in Erwerbsunterbrechungen und Teilzeitarbeit mündet.
Dienstzeit bestimmt Ansprüche
„Eine aktuelle Studie zeigt, dass Frauen nach der Geburt eines Kindes, über einen Zeitraum von zehn Jahren betrachtet, 51 Prozent weniger Einkommen als vor der Geburt eines Kindes haben“, erklärt Ilse Fetik von der Gewerkschaft der Privatangestellten. Um die finanziellen Nachteile auszugleichen, brauche es nicht nur ausreichend Kinderbetreuungsplätze, sondern ebenso eine bessere Anrechnung von Karenzzeiten. Schließlich seien zahlreiche Ansprüche von der Dienstzeit abhängig.
Gesetzlich ist es so geregelt: In einem Arbeitsverhältnis werden höchstens zehn Monate der ersten Karenz für die Bemessung der Kündigungsfrist, der Entgeltfortzahlung im Krankenstand oder des Urlaubsausausmaßes angerechnet. Weitere Ansprüche zählen nicht dazu. Je nach Kollektivvertrag sind aber Ausnahmen möglich. So ist es in manchen Branchen schon heute üblich, dass Karenzzeiten bis zu 24 Monaten angerechnet werden; nicht nur bei Kündigungsfrist, Entgeltfortzahlung und Urlaubsanspruch, sondern auch bei Gehaltsvorrückungen.
Laut ÖVP und FPÖ sollen die Ausnahmen nun die Regel werden. Im Oktober des vergangenen Jahres beschlossen sie, dass sich die Sozialpartner um eine ordentliche Anrechnung der Karenzzeiten kümmern müssen. Eine solche Verbesserung sollte binnen drei Monaten in allen Kollektivverträgen lückenlos verankert sein. Andernfalls – kündigten ÖVP und FPÖ an – würden sie selbst ein Gesetz auf den Weg bringen. Schwarz-blauen Informationen zufolge war die Anrechnung der Karenzzeiten im Oktober in 145 von 859 Kollektivverträgen ausreichend geregelt.
Ein paar Monate später sind es geschätzt zwar ein paar Dutzend mehr. Von einer lückenlosen Umsetzung kann aber nicht die Rede sein. Ein Gesetz – wie von den Regierungsparteien versprochen – gibt es trotzdem nicht. Man wolle noch abwarten, heißt es auf VN-Anfrage. Schließlich würden nicht alle Kollektivvertragsverhandlungen im Herbst stattfinden. Es brauche bis ins neue Jahr hinein, um alle Verträge zu adaptieren. Eine neue Frist gebe es nicht. ÖVP und FPÖ wollen beobachten, wie es weitergeht.
Neos für individuelle Karenz
In den vergangenen Monaten konnten Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter bereits einige Verbesserungen erzielen; unter anderem im Handel, in der IT-Branche und im Allgemeinen Gewerbe. Eine genaue Übersicht, wie die Anrechnung der Karenzzeiten in welchen Kollektivverträgen (neu) geregelt ist, gibt es laut Österreichischem Gewerkschaftsbund nicht. Ohnehin würde dessen Frauenvorsitzende Korinna Schumann eine gesetzliche Regelung bevorzugen. Auch die SPÖ und die Liste Pilz sprechen sich dafür aus. Anders die Neos. Sie glauben, dass es andere Maßnahmen für eine gleichwertigere Aufteilung der Karenzzeiten zwischen Vätern und Müttern braucht; etwa einen individuellen, zum Teil nicht übertragbaren Karenzanspruch pro Elternteil. „Immerhin sind Väter beim Kinderbekommen nicht ganz unbeteiligt und wollen oftmals auch mehr Verantwortung übernehmen“, hält Frauensprecherin Claudia Gamon fest.
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