Deutschniveau wird über Sozialhilfe entscheiden

Volle Leistung nur bei guter Sprachkenntnis: Kursangebot wird auf neue Beine gestellt.
Wien Wer Mindestsicherung bezieht, wird künftig Sozialhilfeempfänger heißen. Und wer kein ordentliches Deutsch spricht, wird weniger bekommen. Das sieht die schwarz-blaue Reform der Mindestsicherung vor.
Ordentliches Deutsch heißt B1-Niveau. Dieses liegt zwei Stufen über dem Level, das man als Arbeitssuchender zur AMS-Vormerkung braucht. Wer die ganze Sozialhilfe will, muss also nicht nur elementare Sprachkenntnisse vorweisen, sondern auch den selbständigen Sprachgebrauch beherrschen, über einen Grundwortschatz verfügen oder Hauptaussagen von Texten verstehen. Mindestsicherungsbezieher, die das nicht können, bekommen in Zukunft weniger. Für sie gibt es statt 885 noch 575 Euro. Erst wer das B1-Niveau erreicht, erhält die volle Leistung.
Bis dahin kann es aber dauern. Laut Österreichischem Integrationsfonds (ÖIF) braucht es durchschnittlich rund 180 bis 240 Unterrichtseinheiten, um das B1-Level zu erreichen. In welcher Zeitspanne das zu schaffen sei, lasse sich nicht pauschaliert beantworten: “Personen, die beispielsweise in ihrer Muttersprache nicht oder unzureichend alphabetisiert waren, benötigen entsprechend länger als Personen, die im Herkunftsland höhere Bildung genossen und Fremdsprachen erlernt haben.” Zudem sei ausschlaggebend, inwiefern sich die Deutschlerner im Alltag mit der deutschen Sprache beschäftigten.
Die Deutschkurse müssen laut Sozialressort weiterhin die Länder zur Verfügung stellen. Sie dürfen in Zukunft nur noch aus Anbietern wählen, die vom ÖIF zertifiziert worden sind. Um die volle Sozialhilfe zu erhalten, ist eine Spracheinstufungsbestätigung oder der Nachweis einer erfolgreich absolvierten Sprachprüfung vom ÖIF Voraussetzung. Ein Kursplatz wird laut Berechnungen von ÖVP und FPÖ bis zum Erreichen des B1-Niveaus rund 2000 Euro kosten. Gezahlt wird mit jenem Geld, das die Bezieher auf Grund ihrer mangelnden Sprachkenntnisse weniger erhalten. Was übrig bleibt, wird eingespart. Das Ziel der Bundesregierung ist es, dass der ÖIF bis 2024 18.000 Kursanbieter zertifiziert. Insgesamt sollen 43.600 Kursplätze geschaffen und 160.000 Prüfungen durchgeführt werden.
Familien stark betroffen
Die Zahl der Mindestsicherungsbezieher, die in Vorarlberg unter dem B1-Niveau liegen, kann laut dem Büro von Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne) nur grob geschätzt werden. Dort wird vermutet, dass rund 70 Prozent aller asylberechtigten Mindestsicherungsbezieher das von der Bundesregierung geforderte Sprachlevel nicht erreichen. 800 Haushalte wären laut Wiesflecker von Einschnitten betroffen. Auch Kinder wären betroffen. Solange ihre Eltern nämlich das B1-Niveau verfehlen, gibt es für die ganze Familie weniger Geld. Unterm Strich erhielte eine fünfköpfige Familie nach den neuen, schwarz-blauen Regeln inklusive Wohnkostenzuschuss maximal 1560 Euro, sprechen die Eltern ordentlich Deutsch, sind es hingegen bis zu 2130 Euro.
Fakten zur Sozialhilfe
1562 Haushalte mit 4026 Asylberechtigten bezogen 2018 in Vorarlberg die Mindestsicherung. Sie machten 27 Prozent aller Bezieher aus. 1774 der 4026 Bezieher waren minderjährig.
7,6 Monate bezogen Asylberechtigte durchschnittlich die Mindestsicherung.
16,1 Prozent aller Sozialhilfebezieher in Vorarlberg im Jahr 2018 kamen aus Syrien, vier aus Afghanistan und 2,1 Prozent aus dem Irak.
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