May bittet um Brexit-Aufschub

Politik / 20.03.2019 • 22:52 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Die Regierungschefin ist weiterhin davon überzeugt, dass der Austrittsvertrag im Unterhaus ratifiziert werden kann. Es brauche aber mehr Zeit. AFP/UK Parliament
Die Regierungschefin ist weiterhin davon überzeugt, dass der Austrittsvertrag im Unterhaus ratifiziert werden kann. Es brauche aber mehr Zeit. AFP/UK Parliament

Premierministerin beantragt Verlängerung bis Ende Juni. Dazwischen steht die EU-Wahl.

london Das offizielle Brexit-Datum rückt näher. Am 29. März wollten die Briten der Europäischen Union ursprünglich den Rücken kehren. Daraus wird wohl nichts, zumindest nicht, wenn es bei einem geregelten Austritt bleiben soll. In einem Brief bat die britische Premierministerin Theresa May EU-Ratspräsident Donald Tusk um einen Aufschub bis 30. Juni. Sie sei weiterhin davon überzeugt, dass der mit der EU ausverhandelte Austrittsvertrag ratifiziert werden könnte, erklärte May am Mittwoch. Aber bis Ende kommender Woche würde sich das nicht ausgehen. Für die Verlängerung braucht die Regierungschefin die Zustimmung der verbleibenden 27 EU-Länder. Die Staats- und Regierungschefs treffen sich heute zu einem EU-Gipfeltreffen in Brüssel. Für die sich anbahnende Verzögerung macht May das Parlament in London verantwortlich. „Ich bedauere das persönlich sehr“, teilte May am Abend in einer Fernsehansprache mit.

Sowohl die EU als auch Großbritannien wollen einen Chaos-Brexit kommende Woche vermeiden. Allerdings könnte die Wahl zum Europäischen Parlament vom 23. bis 26. Mai zum Hindernis einer Fristverlängerung werden. In Österreich wird am 26. Mai gewählt. Eine Teilnahme des Vereinigten Königreichs lehnt May ab: „Ich glaube, dass es nicht in unserem beiderseitigen Interesse wäre, wenn Großbritannien an der Wahl zum Europaparlament teilnehmen würde.“

Das britische Unterhaus hat den Brexit-Deal bereits zwei Mal abgelehnt. Größtes Problem für die Kritiker ist der sogenannte Backstop, eine Garantieklausel für eine Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem britischen Landesteil Nordirland. Sie sieht vor, dass Großbritannien notfalls in der Zollunion mit der EU bleibt, bis eine bessere Lösung gefunden ist. Die EU-Kommission bezweifelt, dass ein Brexit-Aufschub bis Ende Juni möglich ist, ohne dass die Briten an der EU-Wahl teilnehmen. Zu einer etwas anderen Auffassung kommt das Europäische Parlament. Eine dreimonatige Verlängerung der Austrittsfrist wäre demzufolge machbar, ohne dass die Briten wählen müssen. Stichtag wäre der 2. Juli, jener Tag, an dem das neue Parlament seine konstituierende Sitzung hat.

Politische Entscheidung

Der Politikwissenschaftler Andreas Maurer von der Universität Innsbruck spricht im VN-Gespräch von unterschiedlichen Rechtsauffassungen. „Das muss politisch entschieden werden.“ Tusk signalisierte bereits am Mittwoch Entgegenkommen. Eine „kurze Verschiebung“ wäre durchaus möglich, meinte der Ratschef. Das britische Parlament müsste aber den Austrittsvertrag annehmen. Die vorgeschlagene Verlängerung der Austrittsfrist bis 30. Juni habe etwas für sich. Allerdings werfe das neue Datum eine Reihe ernster juristischer und politischer Fragen auf. Die EU-Staats- und Regierungschefs würden dies beim Gipfel in Brüssel besprechen.

Zusatzerklärungen als Hilfe

Im Prinzip gehe es nur noch darum, eine gesichtswahrende Lösung für die Briten zu finden, um geordnet auszutreten, erklärt Maurer. Am Austrittsvertrag selbst werde nichts mehr geändert. Abhilfe können Zusatzerklärungen bieten.

Der EU-Experte verweist darauf, dass sich May bereits vergangene Woche mit Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auf eine rechtlich verbindliche Zusatzerklärung und weitere Dokumente geeinigt hat. Dies soll den Backstop „entschärfen“ und skeptische britische Abgeordnete davon überzeugen, dass Großbritannien nicht gegen seinen Willen in einer engen Bindung mit der EU gehalten werden kann. Tusk meint, es werde kein Problem geben, auch die Zu­stimmung der übrigen 27 Länder für die Nachbesserungen zu bekommen. VN-RAM

„Eine Teilnahme an der Wahl wäre nicht in unserem beider­seitigen Interesse.“

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