Gerold Riedmann

Kommentar

Gerold Riedmann

ORF in Polit-Fängen: Keine Aussicht auf Besserung

Politik / 22.03.2019 • 12:29 Uhr / 5 Minuten Lesezeit

Manchmal passiert halt etwas zufällig. Wenn Regierungen wechseln, zum Beispiel. Oder wenn sich die politische Farbe in einem Bundesland verändert, wie zuletzt in Salzburg, dann ist es ganz klar, dass auch der ORF-Landesdirektor wechselt. Diese Absprachen mit der Politik sind am sichtbarsten durch Organisationsänderungen und Personalpolitik in der öffentlich-rechtlichen Anstalt. Wenn ein ORF-Chefredakteur beispielsweise zu mächtig wird und politisch als nicht mehr opportun gilt, dann gibt es früher oder später durch ein Strukturreförmchen zwei Chefredakteure, mit denen das regierende politische Lager dann besser kann. Wird Führungspersonal gesucht, lautet die erste Frage, auf welchem politischen Ticket der Bewerber agiert. Die, die im ORF unabhängig arbeiten wollen, müssen sich mit dem Polit-Theater irgendwie arrangieren. Dass es um pures Können oder Leistung ginge, kann man sich abschminken.

Dass ausgerechnet die türkis-blaue Regierung den ORF entpolitisieren könnte, kann kein Hoffnungsschimmer sein. Und dabei wär’ genau das überlebensnotwendig.

Möglichst staatsnah

Es geht den Regierenden in der aktuellen ORF-Diskussion um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht darum, den Sender möglichst fern von der Politik zu positionieren, sondern möglichst staatsnah. Dabei den Status-Quo mit Unabhängigkeit gleichzusetzen wäre genauso falsch, wie den ORF noch näher zur Politik rutschen zu lassen. Und somit geht es auch dieser Regierung nur darum, in einer politischen Schlangengrube den Einfluss jener zu sichern, die in den vergangenen Jahren vermeintlich ins Hintertreffen geraten sind.

Gebührenfrage auf der langen Bank

Mit der in den nächsten Wochen kommenden Steuerreform sollen keine ORF-Änderungen angekündigt werden. Junior-Regierungspartner FPÖ hatte sich ja gewünscht, die Rundfunk-Gebühren öffentlichkeitswirksam abzuschaffen und den ORF an die Regierungsbrust zu nehmen, in dem er fortan aus dem Budget finanziert werden solle. Am besten im Rahmen der Steuerreform. Die ÖVP hat das Thema auf die lange Bank geschoben. Auch im in der zweiten Jahreshälfte erwarteten ORF-Gesetz solle dieses Angst-Thema für den ORF ausgespart werden. Dort wird erwartbar erst mal die Geschäftsführung auf politisch gefälligere Schultern verteilt.

Auf der Strecke bleibt beim politischen Hick-Hack, dass der ORF Reformen dringend braucht, auch unangenehme: die üppige Technik muss genau so neu aufgestellt (oder ausgelagert) werden wie journalistische Freiräume geschaffen werden müssen. Auch die Doppel-Finanzierung aus dem Gebührentopf und Werbung lässt den öffentlich-rechtlichen Auftrag verwässern. Der ORF ist eh alles: ZiB, Streif, Millionenshow, Opernball, Dancing Stars und eben auch politisches Wunschkonzert auf Bundes- und Landesebene.

Ö3 und ORF.at im Fokus

Interessant ist, dass die jüngeren Angebote Ö3 und die Internetseite ORF.at aus Regierungskreisen heraus zwischenzeitlich missliebiger beäugt werden, als beispielsweise die ZiB2. Vor allem Ö3 ist zu allererst ein Nebenbei-Unterhaltungssender und damit alles andere als der Informations-Kilimandscharo des ORF. Man hätte Ö3 bisher politisch völlig harmlos eingestuft. Für Kanzler Kurz ist der Sender aber interessant, weil im Verhältnis zu anderen ORF-Programmen verhältnismäßig viele jüngere Menschen zuhören und sich Neuigkeiten über die Morgensendung fernab politischer Zirkel gut verteilen lassen: diese Woche beispielsweise die „Digitale Amt”-App der Regierung.

Neu ist aber die offene Kritik an einzelnen Medien. Die Berichterstattung in den Ö3-Nachrichten zur Erhöhung der Parteienförderung sei wörtlich „die ultimative Form der Falschinformation”. Hintergrund des offen ausgetragenen Streits: Die Parteienförderung wird um zwei Prozent erhöht und künftig jährlich wertangepasst. Das von den Vorgängern übernommene Parteiengesetz sähe 7,8 Prozent vor, eine angesammelte Wertanpassung, die allerdings nicht jährlich erfolgt. Kanzler Kurz wollte im Jänner noch überhaupt nicht erhöhen. Er würde gern in Ö3 hören, dass eine „Erhöhung light” oder „weniger als vorgesehen” kommt. Dass erhöht wird, ist aber halt auch richtig.

Von oben, vom Aufsichtsgremium, gibt’s leider auch keine Hoffnung für den ORF. Der Stiftungsrat ist rein parteipolitisch beschickt, Qualifikationskriterium ist Abstimmungstreue. Eines würde im Stiftungsrat sofort eklatant auffallen: Fachwissen aus der internationalen TV- oder Rundfunkbranche. Das ist nämlich bisher nicht vorhanden.

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