Schicksalswoche für den Brexit

Politik / 24.03.2019 • 22:44 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Hunderttausende Menschen forderten bei einer Massendemo am Wochenende ein zweites Referendum über den Brexit.AFP
Hunderttausende Menschen forderten bei einer Massendemo am Wochenende ein zweites Referendum über den Brexit.AFP

Am 29. März hieße es eigentlich „Goodbye Britain“. Nun gibt es Putschgerüchte gegen May.

London Hunderttausende Menschen dicht an dicht mit Europafahnen um das britische Parlament in London, Millionen Unterstützer hinter einer Online-Petition zum Brexit-Exit: Nach Monaten der politischen Blockade im britischen Parlament scheint in London plötzlich alles in Bewegung. Dabei verschärft sich der Machtkampf von Befürwortern und Gegnern des britischen EU-Austritts. Die nächsten Tage könnten für das Land – und für die EU – zur historischen Zäsur werden.

Was ist passiert?

Am Wochenende überschlugen sich in London die Ereignisse. Zunächst wurde bei einer Massendemonstration ein zweites Referendum über den EU-Austritt gefordert. Gleichzeitig setzte eine Online-Petition für den „Exit vom Brexit“ mit rund fünf Millionen Unterstützern eine neue Rekordmarke. May, die mit der EU eine Verschiebung des Brexit-Termins am 29. März verabredet hatte, baute mit einem Brief an britische Abgeordnete neuen Druck auf, ihren Deal doch noch zu billigen. Gleichzeitig spekulierten Medien über eine Kabinettsrevolte, um May zum Rücktritt zu zwingen.

Warum jetzt diese Zuspitzung?

Trotz der Zustimmung der übrigen 27 EU-Länder zur Verschiebung des Austrittsdatums herrscht enormer Zeitdruck, einen Ausweg aus der Brexit-Blockade zu finden. Stimmt das britische Unterhaus dem mit der EU ausgehandelten Austrittsvertrag nächste Woche nicht zu, muss Großbritannien vor dem 12. April eine Alternative präsentieren – oder das Land an dem Tag ohne Vertrag aus der EU ausscheiden. Da die Abgeordneten das Abkommen bereits zweimal abgelehnt haben, glaubt fast niemand an einen Erfolg im dritten Anlauf. Befürworter und Gegner werden daher wohl versuchen, May die Kontrolle über den Prozess zu entziehen – im Kabinett oder im Unterhaus.

Was würde ein Sturz Mays für den Brexit bedeuten?

Das ist völlig offen. Würde ein gemäßigter Konservativer wie Mays Vize David Lidington neuer Premier, könnte dies eine neue Chance auf ein geordnetes Verfahren eröffnen. Er gilt als EU-freundlich und pragmatisch und könnte mit der oppositionellen Labour-Partei ins Gespräch über einen überparteilichen Kompromiss kommen. Ein strikter Brexit-Befürworter wie Umweltminister Michael Gove würde womöglich eher einen harten Bruch ohne Vertrag riskieren. Schlimmstenfalls könnte dies sogar noch am 29. März passieren, also am kommenden Freitag. Denn das Datum ist gesetzlich verankert und muss vom Parlament noch gestrichen werden. Käme es zu Chaos-Tagen, könnte dies misslingen – auch wenn dies unwahrscheinlich ist, denn eine Mehrheit der Abgeordneten ist für einen Aufschub und gegen einen ungeregelten Brexit.

Was kann die EU jetzt tun?

„Wir müssen mit den Gegebenheiten arbeiten, die wir vorfinden“, sagt EU-Kommissar Johannes Hahn am Sonntag im ORF. Regierungswechsel hin oder her, es herrsche seit Jahren Chaos rund um den Brexit. Zudem seien die Konditionen der EU, die für eine Verlängerung des Austrittsprozesses fixiert wurden, klar. Für den Fall eines Hard Brexit ohne Abkommen sind laut Hahn auf europäischer Seite alle Vorbereitungen getroffen. Die Briten hätten dagegen nicht einmal das zusammenbekommen. Hahn hofft aber, dass noch die Vernünftigen siegen und eine geordnete Scheidung zustande kommt, damit danach die Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien ausgearbeitet werden können.

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