Identitäre Krisen
Kickl, der Frenemy. Es ist eine komplizierte Beziehung zwischen Landeshauptmann Markus Wallner und Innenminister Herbert Kickl. Kickl ist Verbündeter und Gegner zugleich. Halb Freund, halb Feind – und insgesamt: derzeit Innenminister, vor allem aber Strippenzieher und Architekt der FPÖ. Deshalb ist Kickl innerkoalitionär quasi unantastbar.
Schon nach der Abschiebung von Sulzberg hat aber Wallner klargemacht, dass er vom Innenminister nicht zwingend wahnsinnig viel hält. Das beruht auf Gegenseitigkeit. Auch nach dem Fall Dornbirn wurde offen sichtbar, wie sich Innenminister und Landeshauptmann alles andere als einig sind. Ausgesprochen habe man das, hieß es zwischenzeitlich von Wallner. Und dann unterstützte dieser Kickls schnellen Ruf nach Sicherungshaft von Asylwerbern. Wohl um vor allem die politische Diskussion nach Dornbirn rasch zu beenden.
Konflikt neu entfacht
Funktioniert hat das mitnichten, denn zwei Monate nach der Tat streiten Land und Bund wieder um die Zuständigkeiten. Entfacht ist der Streit nach einer VN-Recherche ob dieser Antwort aus dem Innenministerium: „Die Grundversorgungsstelle des Landes Vorarlberg hat letztlich dem Privatverzug nach Vorarlberg zugestimmt.“
Kickl hat nun aber zu viel abgeschoben: vor allem die Verantwortung. „Letztklassig” sei das, findet Wallner. An Deutlichkeit lässt die Kritik des ÖVP-Landeshauptmanns am FPÖ-Innenminister nichts vermissen. Zumal Kickl im Nationalrat nur einen ihm passenden Auszug des Schriftverkehrs bekannt gab, die VN veröffentlichten am Freitag den gesamten Mailverlauf.
Tatsächlich ist der Streit ein Nebenschauplatz, der auch Kickl in die Hände spielt. Denn die Hauptfrage ist und bleibt, wieso Soner Ö. nicht in Haft genommen wurde. Diese Frage ist bis heute nicht beantwortet worden. Wäre das Instrument des Untersuchungsausschusses in Vorarlberg nicht ein so zahnloser Tiger, könnte man sich davon Aufklärung erhoffen. So bleibt nur die Hoffnung, dass die ÖVP auf Bundesebene nicht allem blind vertraut, was der FPÖ-Innenminister behauptet und das Innenministerium auch unabhängig untersucht. Das ist der Staat den Hinterbliebenen von Alexander A. schuldig.
Mehrere Baustellen
Der Innenminister hat zwischenzeitlich mehrere Baustellen. Kickl hatte im Parlament auch einen Text zum Stand der Ermittlungen im Zusammenhang mit der Österreich-Verbindung des Attentäters von Christchurch vorgelesen. Die Nähe der FPÖ zu den Identitären lässt den Innenminister nun endgültig das notwendige Vertrauen verlieren.
Nach ÖVP-Kalkül in den Regierungsverhandlungen reichte es vor allem, das Finanzministerium im eigenen Einflussbereich wissen. Die eingesetzte ÖVP-Staatssekretärin Karoline Edtstadler ist nicht Aufpasserin im Ministerium, sie ist dort am Absprung und derzeit vor allem im EU-Wahlkampf.
Die Aufgaben des Innenministerium sind zu wichtig, um ständig damit im Sinne der FPÖ Stimmung zu machen.
Das Innenministerium in FPÖ-Hand ist das Kernproblem dieser Bundesregierung.
„Innenminister Kickl hat nun aber zu viel abgeschoben: vor allem die Verantwortung.“
Gerold Riedmann
gerold.riedmann@vn.at
05572 501-320
Twitter: @gerold_rie
Gerold Riedmann ist Chefredakteur der Vorarlberger Nachrichten.
Du hast einen Tipp für die VN Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@vn.at.
Kommentar