Identitäre machen Strache zu schaffen

Verfassungsschutz spricht von “modernisiertem Rechtsextremismus”. Bundesregierung will die Bewegung auflösen.
WIEN Das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW) bezeichnet sie als „rechtsextreme Jugendorganisation“, der staatliche Verfassungsschutz spricht von einer „der wesentlichen Trägerinnen des modernisierten Rechtsextremismus“: Die Rede ist von der „Identitären Bewegung Österreichs“. Sie ist gerade wieder in die Schlagzeilen geraten: Martin Sellner (40), ihr Sprecher, hat vor einiger Zeit eine Spende von 1500 Euro bekommen. Und zwar vom Attentäter von Christchurch (Neuseeland), der 50 Menschen auf dem Gewissen hat. In diesem Zusammenhang kam es zu einer Hausdurchsuchung bei Sellner. Die Bundesregierung möchte, dass die Bewegung aufgelöst wird. „Wenn es die Gesetze hergeben“, wie Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) betont. Das wird jedoch spannend.
“Identitäre, Burschenschafter und FPÖ”
Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache unterstützt das Vorhaben: „Die freiheitliche Partei hat mit den Identitären nichts zu tun“, sagt er. Zwei Experten stellen es so dar, dass das nur formell korrekt ist. Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv bezeichnet die Identitären als „informelle Vorfeldorganisation“. Der Journalist Hans-Henning Scharsach hat in seinem Buch „Die stille Machtergreifung“ 2017 zahlreiche Verzahnungen skizziert. Und zwar unter der Überschrift: „Identitäre, Burschenschafter und FPÖ“. Die Identitäre Bewegung sei von rechtsextremen Burschenschaftern gegründet worden, sämtliche Führungspositionen seien mit Waffenbrüdern von freiheitlichen Funktionären besetzt. Martin Sellner selbst beispielsweise komme ursprünglich aus der Burschenschaft „Olympia“ und sei dann in die „Universitätssängerschaft Barden“ gewechselt. Zwei Brüder von Sellner, die ebenfalls bei den Identitären sind, gehörten wiederum der „Tauriska Baden“ an, wie es im Übrigen auch der Nationalratsabgeordnete Christian Höbart tue. Das Dokumentationsarchiv bestätigt dies.
Die Geschichte der Identitären ist jung: Laut Andreas Peham sind sie entstanden, nachdem staatliche Behörden angefangen hatten, entschlossener gegen die Neonaziszene vorzugehen. Zunächst sind sie in Frankreich und 2012 in Österreich gegründet worden. Nach außen hin würden sie jedoch so auftreten, dass sie nur schwer greifbar seien.
Teils identische Wortwahl
Ihre Wortwahl ist zum Teil identisch mit der des Attentäters von Christchurch. Wie dieser in einem „Manifest“ warnen sie vor einem „Großen Austausch“ in Folge von „Masseneinwanderung und Islamisierung“. Österreich sei in Gefahr, Heimatschützer seien nötig.
Von sich reden machen sie durch spektakuläre Aktionen: 2016 unterbrachen sie in Wien eine Aufführung von Elfriede Jelineks „Schutzbefohlene“. Vom Vorwurf der Körperverletzung sowie Störung einer Versammlung wurden 17 Identitäre später freigesprochen. Großteils mit Freisprüchen endete im vergangenen Jahr ein Prozess wegen krimineller Vereinigung, Sachbeschädigung und Nötigung in Graz. Identitäre hatten eine Vorlesung an der Uni Klagenfurt gestürmt und eine Steinigung durch Frauen in Burkas dargestellt.
Aufgrund dieser Urteile würde sich der Verfassungsrechtler Heinz Mayer wundern, wenn genügend Anhaltspunkte für die Auflösung des Vereins zusammenkommen, den die Identitären bilden. Dazu wären schwerwiegende Gesetzesverstöße nötig, erklärt er. Vielleicht aber wisse die Regierung mehr, als öffentlich bekannt sei.
Foto soll Fälschung sein
Strache ist Identitären in der Vergangenheit wohlwollend gegenübergestanden. Auf Facebook schrieb er am 16. April 2016, sie seien „quasi junge Aktivisten einer nicht-linken Bürgergesellschaft“, die ihren „friedlichen Aktionismus“ von Linken entlehnt hätten. Ein Foto aus dem Jahr 2015, das ihn an einem Wirtshaustisch mit mutmaßlichen Identitären zeigt, bezeichnete er kürzlich als Fälschung, um das dann zu revidieren und zu betonen, dass er die Leute nicht gekannt habe.
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