Wer künftig weniger Steuern zahlt

Politik / 30.04.2019 • 21:30 Uhr / 8 Minuten Lesezeit
Finanzminister Löger (l.), Kanzler Kurz, Vizekanzler Strache und Finanzstaatssekretär Fuchs präsentierten am Dienstag ihre Steuerreformpläne. APA
Finanzminister Löger (l.), Kanzler Kurz, Vizekanzler Strache und Finanzstaatssekretär Fuchs präsentierten am Dienstag ihre Steuerreformpläne. APA

Reformpläne von ÖVP und FPÖ laut Steuerexpertin realistisch. Die Ökologisierung des Steuersystems hätte aber umfassender sein können.

Wien Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Pensionisten, Bauern: Jeder bekommt ein Stück vom Steuerkuchen zurück. Sekttrinker profitieren ebenso, denn die Schaumweinsteuer ist wieder Geschichte. 2014 erneut eingeführt, wird sie 2022 ein weiteres Mal abgeschafft. Das Ende der Schaumweinsteuer ist zwar nur eine Randnotiz, aber dennoch Teil der von ÖVP und FPÖ geplanten Steuerreform. Das Volumen der Reform soll 6,5 Milliarden Euro betragen, zum Großteil Arbeitnehmern und Pensionisten zugute kommen, aber auch Unternehmen entlasten. Neue Steuern brauche es dafür nicht, kündigt Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) am Dienstag an. Lediglich 500 Millionen Euro würden durch steigende Einnahmen lukriert, unter anderem durch die Besteuerung von Onlinewerbung, die Fortführung des Spitzensteuersatzes für Einkommensmillionäre oder die jährliche Erhöhung der Tabaksteuer. Diese hatten ÖVP und FPÖ zuletzt ausgesetzt. Das restliche Geld für die Reform ist entweder budgetiert, wird über Budgetüberschüsse oder durch Sparmaßnahmen erzielt. 

Wer künftig weniger Steuern zahlt

Margit Schratzenstaller, Steuerexpertin des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), hält die Regierungspläne für realistisch. Solange die Konjunktur nicht deutlicher abkühle als prognostiziert, könnten die Maßnahmen gegenfinanziert werden. So sollen 500 Millionen durch den Konsum wieder zurückfließen. 1,5 Milliarden möchten ÖVP und FPÖ einsparen. Wie sie das tun, lassen sie offen. Das werde noch verhandelt, und spätestens mit der Budgetrede am 15. Oktober bekannt gegeben.

Noch sind laut Schratzenstaller in den Plänen keine großen Strukturreformen ersichtlich. Es sei zu erwarten, dass querbeet über alle Ministerien gespart werde. Neue Ausgabenwünsche können die Ressorts kaum mehr äußern, wie Martin Kocher vom Institut für Höhere Studien glaubt. Ähnliches sagt Schratzenstaller, wenngleich sie betont, dass es weiterhin Investitionen in Zukunftsbereiche wie Bildung oder Infrastruktur brauche. Budgetäre Möglichkeiten gebe es dafür genug, sagt sie: “Zentraler Hebel sind die großen ausgabenseitigen Reformen, zum Beispiel im Gesundheits- und Spitalsbereich.”

Es wäre gut gewesen, die Steuerreform mit einer umfassenden Ökologisierung zu kopplen.

Margit Schratzenstaller
Wifo-Steuerexpertin

Was die Wifo-Expertin bei den Regierungsplänen vermisst, ist eine umfassende Ökologisierung des Steuersystems. Neben steuerlichen Anreizen hätte man auch ökologisch schädliche Steuerausnahmen durchforsten und zum Beispiel das Dieselprivileg abgeschaffen müssen. Die Pendlerpauschale gehört laut Schratzenstaller ebenso ökologisiert. Weiters wären höhere Mineralölsteuern oder CO2-Abgaben möglich. Auch IHS-Chef Kocher hätte sich mehr Mut bei der Ökologisierung gewünscht. Mehr Verständnis herrscht bei den Experten angesichts der Kalten Progression. Die Regierung schiebt es vorerst auf, die schleichende Steuererhöhung abzuschaffen. Die aktuelle Reform sei sozial treffsicherer, begründen ÖVP und FPÖ. Schratzenstaller stimmt zu: “Es ist sinnvoll, den Schwerpunkt zuerst auf die Entlastung der Unternehmen und mittleren Einkommen sowie der Sozialversicherungsbeiträge zu legen.” Würden am Ende weiterhin Budgetspielräume bestehen, könne die Kalte Progression ja immer noch abgeschafft werden.

Was die Reform für das Landesbudget bedeutet

Länder und Gemeinden bleiben von der Steuerreform nicht ganz verschont. Sie erhalten schließlich ein Drittel der gesamten Steuereinnahmen.

Insgesamt werden die Einnahmen nun um das Reformvolumen von 6,5 Milliarden Euro sinken. Für knapp ein Drittel müssen die Länder und Gemeinden also aufkommen. “Wenn die Steuereinnahmen steigen, profitieren wir, wenn sie sinken, tragen wir das auch mit”, bleibt der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) gelassen. Bleibe das Wirtschaftswachstum halbwegs intakt, werde das Landesbudget vermutlich für ein, zwei Jahre stagnieren, aber nicht unter das Niveau von 2019 fallen.

900 Millionen der 6,5 Milliarden Euro fließen in die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge. Das wird der Bund aus seinem Budget kompensieren. Bei den restlichen 5,6 Milliarden müssen Länder und Gemeinden ein Drittel mittragen. Das Land erhält laut Wallner rund 50 bis 60 Millionen Euro weniger, die Gemeinden bis zu 20 Millionen.

Eine ähnliche Größenordnung habe man auch schon bei der Steuerreform 2015/16 gestemmt, sagt der Landeshauptmann. Binnen zweier Jahre habe sich die Lage damals aber wieder entspannt. Man dürfe den positiven Konjunktureffekt einer Steuerreform nicht vergessen. Wallner hält dennoch fest, dass durch die Steuerreform spätestens ab 2022 strikte Budgetdisziplin herrsche. Das sei für Vorarlberg ohnehin nie ein Problem gewesen.

DIe Eckpunkte der Steuerreform


LOHN- UND EINKOMMENSSTEUER 2021 wird die unterste Steuerstufe für Einkommen zwischen 11.000 und 18.000 Euro von 25 auf 20 Prozent reduziert, 2022 sinkt dann der 35-prozentige Tarif auf 30 Prozent (für 18.001 bis 31.000 Euro) und der 42-prozentige auf 40 Prozent (31.001 bis 60.000 Euro). Die oberen drei Steuerstufen bleiben gleich. Kosten: 3,9 Milliarden Euro im Jahr 2022


SOZIALVERSICHERUNGSBEITRAG Wer mehr als die Geringfügigkeitsgrenze von 450 Euro und weniger als 2201 Euro monatlich verdient, erhält ab 2020 einen Teil der Krankenversicherung rückerstattet. Maximal sind das für Arbeitnehmer mit 1350 Euro Monatsbrutto 350 Euro pro Jahr, für höhere Einkommen schmilzt der Bonus ab. Pensionisten erhalten maximal 265 Euro. Auch für Bauern und Selbstständige soll der Beitrag sinken. Kosten: 900 Millionen Euro


KÖRPERSCHAFTSSTEUER Die Abgabe auf Unternehmensgewinne sinkt im Wahljahr 2022 von 25 auf 23 Prozent und danach auf 21 Prozent. Dann liegt Österreich bei der KÖSt leicht unter dem EU-Schnitt von derzeit 21,9 Prozent. Kosten: 800 Millionen Euro 2022 und 1,6 Milliarden Euro 2023


GERINGWERTIGE WIRTSCHAFTSGÜTER Ab 2020 wird die Grenze, um zum Beispiel Laptops oder Drucker abzusetzen, in zwei Schritten erhöht; von derzeit 400 auf 1000 Euro. Kosten: 300 Millionen Euro


WERBUNGSKOSTENPAUSCHALE Steigt ab 2021 von 132 auf 300 Euro. Kosten: 140 Millionen Euro


GEWINNFREIBETRAG FÜR UNTERNEHMEN Der Freibetrag wird von 30.000 auf 100.000 Euro erhöht. Kosten: 100 Millionen Euro


GEWINNBETEILIGUNG Ab 2022 können Unternehmen bis zu zehn Prozent ihres Gewinnes steuer- und abgabenfrei an Mitarbeiter (maximal 3000 Euro pro Kopf und Jahr) auszahlen. Kosten: 100 Millionen Euro


KLEINUNTERNEHMERGRENZE Ab 2020 müssen Kleinbetriebe mit bis zu 35.000 Euro Jahresumsatz (derzeit 30.000 Euro) keine Einkommens- und Umsatzsteuererklärung abgeben, sondern erhalten die Möglichkeit einer Steuerpauschalierung. Kosten: 75 Millionen Euro


EINKOMMENSSTEUERGESETZ Dieses soll 2020 neukodifiziert werden und die Steuern weiter senken. Kosten 200 Millionen Euro


BAGATELLSTEUERN Die Schaumweinsteuer gehört bald der Geschichte an, auch die meisten Rechtsgeschäftegebühren. Ausgenommen sind laut Regierung aber etwa Wettabgaben. Kosten: über 20 Millionen Euro


ÖKOLOGISIERUNG Die Normverbrauchsabgabe soll ebenso wie die motorbezogene Versicherungssteuer aufkommensneutral ökologisiert werden. Finanzielle Anreize soll es für Dienstautos mit niedrigem CO2-Ausstoß geben, ebenso für die Nutzung von Elektorfahrzeugen, Photovoltaik und anderer ökologischer Energiequellen. Kosten: 55 Millionen Euro


GEGENFINANZIERUNG 2,2 Milliarden Euro waren bereits für die Steuerreform eingeplant, weitere 1,8 Milliarden sollen durch Budgetüberschüsse finanziert werden und 1,5 Milliarden durch neue Einsparungen. Wo genau gespart ist, bleibt offen: in den Ministerien, im System, bei Förderungen, heißt es unter anderem. Eine halbe Milliarde erwartet sich die Regierung durch Wachstumseffekte (Selbstfinanzierung). Weitere 500 Millionen Euro wollen ÖVP und FPÖ durch zusätzliche Steuern einnehmen, 200 Millionen davon sollen aus dem Digitalsteuerpaket stammen, 120 Millionen aus der heuer ausgesetzten Erhöhung der Tabaksteuer. 50 Millionen sollen aus dem Glücksspiel kommen und 25 Millionen aus der Beibehaltung des Spitzensteuersatzes von 55 Prozent für die 440 Einkommensmillionäre.

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