Rücktritte, Neuwahlen und immer wieder Brexit

EU-Wahl: Weitreichende innenpolitische Folgen in vielen Ländern.
brüssel Nach der EU-Wahl herrscht bei vielen Parteien in den Mitgliedsstaaten Katerstimmung. In manchen Ländern hat der Urnengang überhaupt das Potenzial, den innenpolitischen Status quo ordentlich durcheinanderzuwirbeln. Eine Auswahl.
Griechenland. Ministerpräsident Alexis Tsipras zog schon am Wahlabend Konsequenzen. Seine linke Syriza schnitt dermaßen schlecht ab, dass er eine Neuwahl ausrief. Sie ist für 7. Juli angesetzt. Syriza lag nach vorläufigem Ergebnis mit 23,77 Prozent der Stimmen weit abgeschlagen hinter der konservativen Oppositionspartei Nea Dimokratia (33,12 Prozent).
Deutschland. Insbesondere die Sozialdemokraten stehen unter Druck. Mit 15,80 Prozent fuhr die Partei ein Debakel ein und landete hinter CDU/CSU (28,90 Prozent) und Grünen (20,50 Prozent) auf dem dritten Platz. Auch bei der gleichzeitig stattfindenden Wahl im Bundesland Bremen wurde die SPD ordentlich abgestraft. Fraktionschefin Andrea Nahles will sich als Konsequenz kommende Woche einer vorgezogenen Wahl in der Bundestagsfraktion stellen. Das kommt in der Partei nicht überall gut an. Nahles ist mit immer lauteren Rücktrittsforderungen konftontiert.
Aber auch CDU/CSU mussten, trotz erstem Platz bei der EU-Wahl, Federn lassen. So waren sie 2014 noch auf 35,30 Prozent der Stimmen gekommen. Zuletzt handelte sich CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer auch Ärger dafür ein, dass sie als Reaktion auf das Ergebnis zu einer Diskussion um „Meinungsmache“ im Internet aufrief. Hintergrund waren Wahlaufrufe von YouTubern gegen CDU und SPD.
Italien. In dem Land fand ein politisches Erdbeben statt: Die rechte Partei Lega von Innenminister Matteo Salvini erreichte nach vorläufigem Ergebnis 34,33 Prozent, fast doppelt so viel wie bei der italienischen Parlamentswahl vor einem Jahr. Die Fünf-Sterne-Bewegung, die gemeinsam mit der Lega eine Koalition bildet, hat hingegen deutlich verloren. Im vergangenen Jahr zog sie noch mit rund 33 Prozent als stärkste Einzelpartei ins Parlament in Rom ein. Bei der EU-Wahl erreichte sie gerade einmal 17 Prozent und lag hinter den Sozialdemokraten (22,69 Prozent). Das könnte Konsequenzen für Parteichef Luigi Di Maio haben: Die Mitglieder entscheiden heute, Donnerstag, online, ob er weiterhin an der Spitze der Bewegung stehen soll oder nicht.
Großbritannien. Eigentlich hätte das Land gar nicht mehr Mitglied der EU sein, geschweige denn an der Wahl teilnehmen sollen. Der Brexit-Deal von Premierministerin Theresa May scheiterte aber drei Mal im Unterhaus, die Austrittsfrist wurde verlängert. Die regierenden Tories und die oppositionelle Labour-Partei konnten keinen Kompromiss erzielen. Der Frust zeigte sich an den Wahlurnen: Gewinner wurde Nigel Farage mit seiner Brexit-Partei, die aus dem Stand 30,75 Prozent schaffte. Dahinter folgten die EU-freundlichen Liberaldemokraten mit 19,76 Prozent. Die Tories erreichten den fünften Platz mit 8,85 Prozent. May hatte bereits angekündigt, am 7. Juni als Parteichefin und damit auch als Premierministerin abzutreten. Wer ihr nachfolgt, bleibt weiterhin offen. VN-RAM