Baustelle Pflege

Zu wenig Geld, nicht genug Personal und eine große Betreuungslücke.
Wien Fünf Prozent der Österreicher sind 80 Jahre oder älter. Im Jahr 2050 wird jeder zehnte dieses Alter erreichen. Je älter die Bevölkerung, desto mehr potenzielle Pflegebedürftige gibt es. Diese Entwicklung birgt finanzielle Herausforderungen, erfordert Unterstützung für Angehörigen und die Suche nach Fachkräften. Am Ende steht die Frage: Was muss getan werden, um würdevolles Altern zu ermöglichen? Ein Überblick über die Baustellen im Pflegesystem.
Kosten: 5.000.000.000 Euro
Die Ausgaben für das Pflegesystem betragen derzeit fünf Milliarden Euro. Laut Fiskalrat nehmen sie jährlich um 4,4 bis 6,2 Prozent zu. Um das System finanziell abzusichern, spricht sich die ÖVP dafür aus, die Budgetfinanzierung um eine staatliche Pflegeversicherung zu ergänzen. Die Neos können sich eine Kombination mit privater Vorsorge vorstellen. Die anderen Parteien wollen beim Steuertopf bleiben. Immer wieder kommt auch die Möglichkeit einer zweckgebundenen Erbschaftssteuer zur Sprache. Das Gesetz zum Pflegefonds, dem Zweckzuschuss an die Länder zur Sicherung des Pflegeangebots, läuft übrigens 2021 aus.
Pflegegeld: Eine Frage der Bewertung
Das Pflegegeld wird ab 2020 jährlich inflationsangepasst. Seit der Einführung im Jahr 1993 hat es aber schon über 30 Prozent Wert verloren, da bisher eine regelmäßige Erhöhung fehlte. Zuletzt wurde das Pflegegeld 2016 um zwei Prozent erhöht. Die Caritas gibt zu bedenken, dass die Einstufung derzeit äußerst defizitorientiert ist und individueller gestaltet werden könnte.
Personal: Doppelter Bedarf
Bis 2030 wird es laut Bericht des Wirtschaftsforschungsinstituts 39 Prozent mehr Pflegekräfte als 2016 brauchen, also 87.500 statt 63.000. Bis 2050 seien 143.000 nötig. In Vorarlberg steigt der Bedarf laut Wifo noch schneller, um 52 Prozent bis 2030 und um 154 Prozent bis 2050. Das Institut rät, die Attraktivität der Pflegeberufe zu steigern. Das bedeutet: Höhere Einkommen, bessere Arbeitsbedingungen sowie Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten. In Vorarlberg werden Praktikumsplätze gefördert und es wird an neuen Ausbildungen in mittleren und höheren Schulen gefeilt. Auch die Pflegelehre ist Thema.
Angehörige: Der größte Pflegedienst
Pflegende Angehörige sind eine wesentliche Säule des Pflegesystems. In Österreich betreut fast jeder zehnte ein Familienmitglied zu Hause. Die Interessensgemeinschaft pflegender Angehöriger (IG Pflege) fordert bessere, vor allem gut erreichbare Beratung. Die Bekanntheit von Unterstützungsangeboten müsse steigen. Die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf könnte durch den Rechtsanspruch auf Pflegekarenz und Pflegeteilzeit verbessert werden. Dazu wird ein SPÖ-Antrag im Parlament verhandelt.
Betreuungslücke: Zwischen Mohi und 24 Stunden
Entweder es gibt eine Betreuung von drei bis vier Stunden täglich oder eine für 24 Stunden sowie die Heimunterbringung. Dazwischen klafft eine Lücke. Caritas-Generalsekretär Bernd Wachter hält diese für problematisch. Nachdem der Krankenpflegeverein und der mobile Hilfsdienst am Vormittag da seien, wären die Betroffenen nach dem Mittagessen bis 17 oder 18 Uhr häufig alleine. Diese Lücke könne man mit Angeboten in Tageszentren, teilstationären Einrichtungen oder Alltagsbetreuern schließen.
Föderalismus: Ein Österreich, neun Systeme
2017 bezogen 458.783 Personen in Österreich das Pflegegeld, rund ein Drittel von ihnen wurde von mobilen Diensten betreut und 18 Prozent stationär. In Vorarlberg wurde fast die Hälfte der 17.334 Pflegegeldbezieher mobil betreut, 14 Prozent stationär. Alleine diese Auswertung der Statistik-Austria-Daten zeigt, dass die Situation in den Bundesländern völlig unterschiedlich ist. Das mag an verschiedenen Angeboten liegen. Deren Kosten unterscheiden sich je nach Bundesland mit bis zu 60 Prozent. Caritas-Generalsekretär Wachter fordert, den Pflegefonds zu einem Steuerungsinstrument weiterzuentwickeln, der einheitliche Regeln und Rahmenbedingungen in den Ländern sicherstellt: „Wenn ich zum Beispiel meine pflegebedürftige Mutter zu mir nach Hause hole und dadurch eine Bundeslandgrenze in Österreich überschreite, dürfen keine Nachteile entstehen, weder bei den Versorgungsmöglichkeiten noch bei den Kosten.“
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