Politsommerflaute
Was diesen Wahlkampf im Moment spannend macht, sind nicht unbedingt die Themen (weil nicht vorhanden) oder das Koalitionsgeplänkel zwischen den Parteien (weil nicht aussagekräftig). Es sind die Kandidaten selbst. Obwohl erst 22 Monate seit der letzten Nationalratswahl vergangen sind, kennen wir eigentlich nur zwei Personen in dieser Rolle: Sebastian Kurz, den großen Erneuerer der ÖVP und Peter Pilz, den Spalter der Grünen.
Alle anderen betreten die Politbühne das erste Mal als Spitzenkandidat. Und wir sind natürlich alle neugierig, wie sie sich schlagen werden. Über Pamela Rendi-Wagner wurde schon viel gesagt, aber wenig Freundliches. Norbert Hofer kennen wir bereits aus dem Bundespräsidentenwahlkampf und warten nun darauf, wann die freundliche Maske fällt und er uns ein neues Wunder verspricht. Werner Kogler ist eigentlich schon seit über vier Monaten im Wahlkampfdauereinsatz, aber auf nationaler Ebene spielt er dennoch eine Premiere. Beate Meinl-Reisinger hatte eine gute Nachrede als Oppositionsführerin, muss nun aber den Vorschuss Ende September auf den Boden bringen.
Die Chance dazu hat sie eigentlich nur jetzt, inmitten der medialen Sommerflaute. Zu Beginn des Wahlkampfs ist noch die Stunde der Kleinparteien. Je näher der Wahltag, desto mehr spitzt sich die Berichterstattung auf das Duell an der Spitze zu. Wobei es diesmal höchstens ein Rennen um Platz zwei zwischen SPÖ und FPÖ geben dürfte. Aber die Kommunikationsstrategie aller Parteien und auch die Medien werden das sicher anders darstellen. Könnten doch einige Parteianhänger zu Hause bleiben, wenn der Ausgang keine Spannung mehr verspricht.
Die Neos bezeichnen sich als die Partei der Erneuerung. Doch sie setzen eher auf bekannte Gesichter und auf ihre bewährte Strategie eines Quereinsteigers zur Zielgruppenerweiterung. Irmgard Griss ist jetzt zwar Helmut Brandstätter, der aber genauso bekannt, wortgewaltig und als Buchautor ein Signal gegen die Wiederauflage der türkis-blauen Koalition ist. Obwohl knapp 40 Prozent der Österreicher sich Neos in der nächsten Regierung wünschen, und es dazu es eine intakte Beziehung zur ÖVP braucht.
Diesen heiklen Spagat konnte Meinl-Reisinger Montagabend im ORF-Sommergespräch nicht wirklich klären, doch 632.000 Zuseher sahen ihr zu. Das sind 178.000 mehr als letztes Jahr (und 374.000 mehr als bei den gleichzeitig ausgestrahlten Vorstadtweibern). Politikverdrossen ist das Publikum also keinesfalls. Höchste Zeit für alle Parteien, den interessierten Bürgern eine fundierte inhaltliche Auseinandersetzung zu bieten. Denn wenn Ende Sommer die Temperaturen sinken, steigt die Nervosität in den Parteizentralen. Und damit schwindet die Chance auf offene Worte endgültig.
„Je näher der Wahltag, desto mehr spitzt sich die Berichterstattung auf das Duell an der Spitze zu.“
Kathrin Stainer-Hämmerle
kathrin.stainer-haemmerle@vn.at
FH-Prof. Kathrin Stainer-Hämmerle, eine gebürtige Lustenauerin, lehrt Politikwissenschaften an der FH Kärnten.
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