Wahlkampf nach Ibiza – Lerneffekt: Null
Ibiza kam über uns – und Ibiza ging wieder, auch wenn die Nachwirkungen des skandalösen Videos im kollektiven Unterbewusstsein verankert bleiben werden. Die Glaubwürdigkeit des Politikbetriebs, nicht nur jene der Ex-FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus, ist noch mehr angeschlagen als zuvor. Doch das scheint vielen Protagonisten nicht so wichtig, wenn man den Wahlkampf betrachtet. Am 28. Mai habe ich an dieser Stelle ein paar Punkte aufgezählt, bei denen man von Ibiza lernen könnte. Lerneffekt bisher: Null.
1. Die Ex-Kanzlerpartei ist wegen des Misstrauensantrags und der Ablöse ihrer Regierungsmannschaft nach wie vor verschnupft. Man sieht sich als Opfer rot-blauer Ränke, inklusive des diskussionswürdigen Slogans: „Das Parlament hat bestimmt, das Volk wird entscheiden.“ Laut aktuellen Umfragen liegt die Volkspartei allerdings weiter deutlich vorne, Schreddereien hin oder her. Die politische Konkurrenz und zahlreiche Medien machen es ihr ja nach wie vor ziemlich leicht.
2. Der Politik ist nicht zu trauen. Diesem Bild vieler, das durch das Ibiza-Video noch bestätigt wurde, treten Politikerinnen und Politiker noch immer zu wenig entgegen. Das klare Bekenntnis zu Transparenz und Kontrolle könnte eine Antwort sein – bei der Reform der Parteienfinanzierung haben SPÖ, FPÖ und Liste Jetzt aber ein nicht sonderlich ambitioniertes Modell beschlossen, das vor allem die ÖVP (und die Neos) mit der Verhinderung von Großspenden trifft. Schadenfreude statt Sauberkeit.
Wer ist der Bösewicht?
3. Von Ibiza bleibt vor allem das Krimi-Element, es ist ja alles so spannend: Wer ist der Bösewicht hinter dem Video? Das zu recherchieren und herauszufinden ist natürlich wichtig, die journalistische Begeisterung für den Fortsetzungs-Krimi ersetzt dennoch nicht die Arbeit an der politischen Kultur im Land.
Die Reform der Parteienfinanzierung: Schadenfreude statt politischer Sauberkeit.
4. Populistische Forderungen verunmöglichen jede nachhaltige Auseinandersetzung mit wichtigen Themen. Nicht ohne mein Schnitzel, Bargeld in die Verfassung – das kann nicht Euer Ernst sein, liebe SPÖ und ÖVP.
5. Die „Kronen Zeitung“ wird immer die „Kronen Zeitung“ bleiben. Sie mag sich wegen des Ibiza-Videos derzeit von der FPÖ ab- und dem Klimaschutz zugewandt haben – aus dem Boulevardmedium, das mit beachtlichem Instinkt auf Stimmungen und Machtverhältnisse reagiert, wird aber sicher kein Sturmgeschütz der Demokratie.
6. Heinz-Christian Strache lässt sich das erste Mal nach seinem Rücktritt vom russlandnahen Sender RT Deutsch freundlich befragen und stellt sich als Ex-Vizekanzler der Republik nicht den heimischen Medien. Dass ein Politiker nach so einem Skandal tatsächlich auf eine spätere Fortsetzung der Karriere hoffen darf, sagt auch etwas über unser Land.
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