Keine Neuauflage
Die Identitären kann man mögen oder nicht. Ich mag sie nicht. Weder ihren Versuch, uns mit wirren Ideen eines „Bevölkerungsaustausches“ Angst zu machen. Noch ihren Vorsitzenden, der als „Jugendsünde“ Hakenkreuze auf eine Synagoge schmierte. Dieser militaristische Verein verdient in keinster Weise Unterstützung. Doch verbieten lassen möchte ich ihn auch nicht. Denn in einer Demokratie darf jeder einen Verein gründen, solange der Vereinszweck erfüllt und nicht gegen das Strafgesetz verstoßen wird. Das schließt etwa nationalsozialistische Wiederbetätigung und die Verwendung von extremistischen Symbolen aus. Politiker, Parteien oder gar die Demokratie zu kritisieren ist in Österreich nicht verboten. Das müssen wir aushalten.
Selbstverständlich muss deswegen nicht jegliche Propaganda widerstandslos hingenommen werden. Eine vielfältige Medienlandschaft und mündige Bürger sollten den Identitären Argumente entgegensetzen. Aber keine Verbote. Daher ist der Vorschlag der ÖVP nichts anderes als eine unüberlegte Nebelgranate im Wahlkampf. Unüberlegt, weil keine Details zur geplanten Gesetzesänderung bekannt sind. Niemand weiß, welche Vereine noch betroffen sein könnten. Nach rechtsextrem kommt linksextrem, jedenfalls religiöse Fanatiker, vielleicht aber auch Verschwörungstheoretiker oder harmloser Spinner? Die Identitären wurden jedenfalls erst im Juli vom Vorwurf der Verhetzung und Bildung einer kriminellen Vereinigung freigesprochen.
Doch das Verhältnis der ÖVP zur Justiz scheint sich in den letzten Tagen ohnehin einzutrüben. Sie will jeden klagen, der einen Zusammenhang zwischen dem Schreddern ihrer Festplatten und dem Ibiza-Video herstellt. Dummerweise hat ausgerechnet der amtierende Justizminister und ehemalige Präsident des Verwaltungsgerichtshofes, Clemens Jabloner, dies in einer parlamentarischen Anfrage zumindest nicht ausgeschlossen. Wir werden sehen, ob die ÖVP den Ruf von Justiz und der Expertenregierung wirklich aufs Spiel setzen wird. Oder eher das eigene Image dabei riskiert.
Der Vorschlag des Identitären-Verbots soll vor allem vom eigentlichen Problem einer Neuauflage der türkis-blauen Regierung ablenken. Die ÖVP diskutiert lieber über einen obskuren Verein mit Nähe zur FPÖ statt über Herbert Kickls Rückkehr ins Innenministerium. Norbert Hofer wird eine elegante Lösung finden müssen, will er Vizekanzler werden. Doch Kickl ist nicht der einzige Stolperstein auf diesem Weg. Der zweite Problembär heißt Heinz-Christian Strache. Er sabotiert mit seinen Interviews die Wahl- und Regierungschancen seiner Partei. Dennoch wird sich die FPÖ nicht entzweien lassen. Sie hat aus Knittelfeld gelernt. Auch wenn ihre Gegner bereits diese Neuauflage für den Parteitag am 14. September herbeischreiben.
„Daher ist der Vorschlag der ÖVP nichts anderes als eine unüberlegte Nebelgranate im Wahlkampf.“
Kathrin Stainer-Hämmerle
kathrin.stainer-haemmerle@vn.at
FH-Prof. Kathrin Stainer-Hämmerle, eine gebürtige Lustenauerin, lehrt Politikwissenschaften an der FH Kärnten.
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