Sackgasse
Spenden- und Schredderaffären werden nichts daran ändern, dass die neue ÖVP mit Sebastian Kurz bei der Nationalratswahl wieder vorne liegen wird. Und dann? Aus heutiger Sicht wird sie drei Optionen haben: Schwarz-Blau, Schwarz-Rot oder eine Minderheitsregierung. Eine Koalition mit den Grünen ist genauso unwahrscheinlich wie eine Zusammenarbeit mit den Neos. Und selbst wenn sie rechnerisch möglich wäre: Die einen stehen für eine Ökologisierung des Steuersystems, die anderen wollen zudem eine Pensionsreform. Beides lehnt Kurz ab.
Im Wahlkampf lässt sich die neue ÖVP nicht davon beirren. Sie setzt auf Ansagen wie das Kopftuchverbot nun auch für Zehn- bis 14-Jährige sowie Lehrerinnen. Das ist etwas, was noch immer Applaus gebracht hat. Vielleicht ist das bestehende Verbot genau aus diesem Grund schrittweise eingeführt worden: Zunächst an Kindergärten und zuletzt an Volksschulen. Doch sagen wir, das Verbot in seiner Gesamtheit sei nötig. Gerade dann lässt die Salamitaktik tief blicken: Hier geht es nicht um die Sache, sondern um den parteipolitischen Nutzen.
Abgesehen davon wäre es viel wichtiger zu erfahren, was die ÖVP erstens wie und zweitens mit wem erreichen möchte. Beispiel „Senkung der Steuer- und Abgabenquote“. Eine solche lässt sich nur dann bewerkstelligen, wenn es zu nachhaltigen Einsparungen kommt. Bisher haben jedoch weder die Zusammenlegung der Sozialversicherungen noch die Kürzungen bei der Mindestsicherung dazu beigetragen. Sprich: Für eine Entlastung gibt es keinen abgesicherten Spielraum.
Risikofaktoren
Zumindest ebenso offen ist die Frage, mit wem sich die ÖVP ans Werk machen könnte. Die SPÖ fällt aus. Vor dem Sommer hat Kurz bekräftigt, dass sie für Stillstand stehe. Mit derselben Begründung hatte er die Sozialdemokraten 2017 in die Opposition verabschiedet. Da kann er sie nicht gut zurückholen. Die FPÖ? Mit ihr gibt es inhaltlich die größte Übereinstimmung, zunehmend jedoch Probleme und Risikofaktoren: Kurz hat die Zusammenarbeit mit ihr im Mai beendet, weil sie im Zuge der Ibiza-Affäre keine „wirkliche Bereitschaft für eine tiefgreifende Veränderung auf allen Ebenen“ gezeigt habe. Daran hat sich nichts geändert. Und überhaupt: Heinz-Christian Strache ist nicht weg, sondern Störfaktor in der FPÖ. Seinem Nachfolger Norbert Hofer fehlt die Kraft, ihn auszuschließen. Herbert Kickl soll zwar nicht wieder Innenminister werden dürfen, in der FPÖ ist er aber die Nummer zwei neben Hofer. Das kann nicht gutgehen. Ganz zu schweigen davon, dass bei den Ibiza-Ermittlungen jederzeit Unvorhersehbares zutage treten könnte. Das widerspricht der Kontrolle über das Geschehen, die der ÖVP so wichtig ist. Bleibt eine Minderheitsregierung. Doch auch bei einer solchen wäre Kurz auf die Unterstützung von Freiheitlichen, Sozialdemokraten oder Grünen und Neos angewiesen – und das wäre erst recht unberechenbar.
„Viel wichtiger wäre es zu erfahren, mit wem die ÖVP nach der Wahl koalieren möchte.“
Johannes Huber
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Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.
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