Julia Ortner

Kommentar

Julia Ortner

Schadenfreude ist keine Politik

Politik / 26.08.2019 • 19:59 Uhr / 3 Minuten Lesezeit

Es ist bitter für Heinz-Christian Strache. FPÖ-Chef weg, Vizekanzler weg und jetzt auch noch die Oberhoheit über seine offizielle Facebook-Seite weg, ein in Österreich einflussreiches Partei-Medium mit 800.000 Fans. Auf seinem persönlichen Facebook-Profil musste Strache letzte Woche eingestehen: „Da insbesondere im Wahlkampf eine abgestimmte und koordinierte Kommunikation wichtig ist, habe ich mich in gegenseitigem Einvernehmen mit der Partei darüber verständigt, dass bis zu den Neuwahlen alle Inhalte, die über die Facebook-Seite verbreitet werden, akkordiert werden und die Partei als Administrator die Verbreitung steuert, während ich im Status eines Redakteurs agiere.“
Eine Niederlage für Strache, ein großer Spaß für die anderen:
Hahaha, die FPÖ und ihr Ex-Chef, was für ein Theater! Das interne blaue Ringen ist ein süffiges Thema für traditionelle Medien auf der Suche nach Klicks und auch gut geeignet für die Auseinandersetzung in sozialen Medien. Aber leider: Schadenfreude ist keine Politik. Und die Leiden des Heinz-Christian Strache sind kein Wahlkampfthema.

Die Konkurrenz sollte sich gerade nach Ibiza lieber politisch mit den Freiheitlichen auseinandersetzen und sich mit eigenen Inhalten positionieren, anstatt sich nur wie die Kinder darüber zu freuen, dass es den Blauen schlecht mit sich selbst geht. Einfach an das EU-Wahlergebnis der FPÖ kurz nach Ibiza denken, noch immer 17 Prozent. Die SPÖ kämpft nach derzeitigen Umfragen mit der FPÖ um Platz 2 und sollte also am Wahlkampfkurs – sich mit süßen Tieren ins Kanzleramt kuscheln – arbeiten und klar zeigen, wofür die Sozialdemokratie heute steht; Pamela Rendi-Wagners Forderung nach 1700 Euro Mindestlohn kann nur ein Anfang sein.

Und der politische Anstand?

In den Medien sollte man endlich von der oft rein juristisch geführten Debatte rund um Ibiza wegkommen – hin zu einer grundsätzlichen Debatte unserer politischen Kultur. Natürlich müssen die Hintergründe der Affäre rechtlich aufgeklärt werden. Dennoch geht es gerade jetzt um Fragen des politischen Anstands. Wie sollen Politiker und Politikerinnen charakterlich beschaffen sein? Wie kann man mehr Bewusstsein dafür schaffen, dass sie dem Staat dienen und es sich nicht mit Hilfe des Amtes selbst richten?

Im Fall von Politikern wie Strache, der im Ibiza-Video jedenfalls die Grenzen des Anstands überschritten hat (das Strafrecht ist wie gesagt eine andere Baustelle), sollten Medienleute nicht mehr so formulierte Fragen an Strache oder Parteichef Norbert Hofer stellen: Darf Strache politisch zurückkehren? Kann er 2020 bei der Wien-Wahl antreten? Das sollte durch Heinz-Christian Straches Verhalten bereits geklärt sein. Und die Antwort lautet: Nein.

Julia Ortner ist Journalistin mit ­Vorarlberger Wurzeln und lebt in Wien. Podcast: @ganzoffengesagt

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