Bauer trifft nicht volle Schuld

Politik / 27.08.2019 • 22:11 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
In den nun geltenden Verhaltensregeln werden Alpbesucher angewiesen, den Kontakt mit Weidevieh zu vermeiden. APA
In den nun geltenden Verhaltensregeln werden Alpbesucher angewiesen, den Kontakt mit Weidevieh zu vermeiden. APA

Gericht gibt Berufung teilweise statt: Opfer trage eine Mitschuld an tödlicher Kuh-Attacke.

innsbruck Vor fünf Jahren kam eine 45-jährige Frau im Tiroler Pinnistal ums Leben. Die deutsche Hundehalterin starb durch eine Kuh-Attacke, wurde zu Tode getrampelt. Nach einem jahrelangen Rechtsstreit erging gegen den Bauern, dem die Kuhherde gehört, im Februar das erstinstanzliche Urteil im Zivilprozess: Das Landesgericht Innsbruck sprach den beiden Hinterbliebenen hohen Schadenersatz zu. Dies führte zu einem Aufschrei in der Politik und in der Landwirtschaft. Sogar von einem Ende der Alpbewirtschaftung in der jetzigen Form war die Rede. In der Folge kam es zu einer Gesetzesänderung, um auch Alpbesucher stärker in die Pflicht zu nehmen. Nun die nächste Wende in dem Fall: Das Oberlandesgericht Innsbruck (OLG) gab der Berufung des Landwirts gegen das Urteil der ersten Instanz teilweise recht. Die grundsätzliche Haftung des Bauern bleibe zwar aufrecht, erklärte Wigbert Zimmermann, Vizepräsident des OLG am Dienstag. Das Opfer trage aber zu 50 Prozent eine Mitschuld.

Ansprüche gekürzt

Das bedeutet, dass dem Ehemann und dem Sohn der Verstorbenen die berechtigten Ansprüche um 50 Prozent gekürzt werden. Der Witwer soll rund 54.000 Euro und eine monatliche Rente von 600 Euro bekommen, der Sohn rund 24.000 Euro und eine monatliche Rente von 180 Euro.

OLG-Vizepräsident Zimmermann erläuterte: „Die Touristin hätte wissen müssen, dass Mutterkühe eine Gefahr für Hunde darstellen.“ Außerdem habe die Frau Warnschilder nicht beachtet und sich nicht auf Distanz von den Kühen gehalten. Dies sei als Sorglosigkeit zu werten und begründe ein maßgebliches Mitverschulden. Trotzdem bleibe die grundsätzliche Haftung des Landwirts aufrecht. Ihm sei bewusst gewesen, dass seine Mutterkühe sensibel und aggressiv auf Hunde reagieren, insbesondere in besagtem Jahr. Das von ihm angebrachte Warnschild sei nicht ausreichend gewesen. Der Landwirt hätte vielmehr einen Teil des Weges in der Länge von rund 500 Metern entlang der Weidefläche abzäunen müssen.

Der Landwirt wird aller Voraussicht nach Revision beim Obersten Gerichtshof einbringen, wie sein Rechtsanwalt am Dienstag mitteilte. Auch der Anwalt des Witwers kündigte Revision an. Das Urteil zeige, wie wichtig die jüngste Gesetzesänderung gewesen sei, erläuterte Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger im VN-Gespräch. Der Prozess werde noch nach der alten Rechtslage geführt. Dabei blieben dem Landwirt zwar noch immer sehr hohe Haftungskosten. Doch für Vorfälle nach dem 1. Juli 2019 gelte nun mehr Rechtssicherheit. „Die Gesetzesänderung bringt mehr Eigenverantwortung für Besucher, sowie Klarheit und Sicherheit für die Alp­bewirtschafter.“

Konkret geht es um eine Präzisierung im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB), in dem die Haftung von Viehhaltern geregelt ist. Bisher nahm das AGBG den Tierhalter stark in die Verantwortung. Nun werden auch Alpbesucher in die Pflicht genommen, angeführte Verhaltensregeln einzuhalten, zum Beispiel den Kontakt mit Weidevieh, insbesondere zwischen Hunden und Mutterkühen, zu vermeiden. VN-RAM

„Die Gesetzesänderung bringt mehr Eigenverantwortung für die Besucher.“

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