„CO2-Besteuerung notwendig“

Wirtschaftsforscher: Förderung von Wasserstoff wichtig, aber nicht ausreichend.
WIEN Der Chef des österreichischen „Instituts für Höhere Studien“ (IHS), Martin Kocher, fordert eine umfassende Ökologisierung im Sinne des Klimaschutzes. Dabei ist kein Endweder-oder möglich, nötig ist vielmehr ein Sowohl-als-auch, so der Verhaltensökonom: Nötig seien Förderungen und eine CO2-Steuer.
Die Antworten der Parteien auf den Klimawandel sind unterschiedlich: Mitte-Links-Parteien fordern eher eine CO2-Steuer, Mitte-Rechts-Parteien eher einen Ausbau von Förderungen, zum Beispiel für Wasserstoff. Was ist besser?
KOCHER Alle Experten sind sich einig, dass man beides braucht. Forschung und Entwicklung muss forciert werden, Wasserstoff allein wird das Problem jedoch nicht lösen. Gleichzeitig nötig ist daher auch ein Signal an die Konsumenten, sich klimafreundlich zu verhalten. Das geht einerseits über eine Besteuerung des CO2-Ausstoßes und andererseits über den Rückbau von klimafeindlichen Förderungen.
Laut einer Studie machen diese Förderungen bis zu 4,7 Milliarden Euro jährlich aus und umfassen etwa Dieselprivileg und Pendlerpauschale. Sollten sie abgeschafft oder zumindest reformiert werden?
KOCHER Man sollte ein Gesamtpaket schnüren und mit allem gleichzeitig anfangen. Sonst ist die Gefahr groß, dass nur eine Gruppe betroffen ist, sich benachteiligt fühlt und am Ende gar nichts passiert.
Ganz praktisch gefragt: Wie viel müsste Sprit an der Tankstelle kosten, damit das zu einer Verhaltensänderung führt?
KOCHER Wir wissen, dass die Preiselastizität der Nachfrage bei Benzin und Diesel nicht besonders groß ist. Das heißt, dass kaum weniger getankt wird, wenn der Spritpreis steigt. Ich persönlich glaube aber ohnehin, dass es vor allem darum geht, ein Signal zu setzen. Kurzfristig wird eine CO2-Steuer keine sehr großen Reaktionen hervorrufen, weil die meisten Menschen nicht von heute auf morgen auf ein anderes Fahrzeug oder eine andere Heizung umsteigen können. Sehr wohl aber werden sie dies bei einer entsprechenden Besteuerung längerfristig tun.
Als Argument gegen eine CO2-Steuer gelten die Pendler: Ist es unausweichlich, sie zu belasten?
KOCHER So ehrlich muss man sein: Wenn es keine Alternativen in Form von öffentlichen Verkehrsmitteln gibt, ist das kein Programm zur Entlastung von Pendlern. Bei den Steuermodellen gibt es aber immer auch Kompensationen; eine Bonuszahlung für alle oder eine Mehrwertsteuersenkung etwa. Zumindest sozial schwache Pendler könnten stärker davon profitieren. Andere würden das weniger tun. Aber sie könnten sich das auch leisten.
Fast die Hälfte der Treibhausgas-Emissionen geht auf die Sektoren Energie und Industrie zurück. Die CO2-Steuerbelastung wäre für sie entsprechend groß. Ist das im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit und der Arbeitsplätze überhaupt verkraftbar?
KOCHER Bei der CO2-Steuer geht es vor allem auch ums Signal. Sie könnte anfangs relativ niedrig sein. Aufgrund der Änderungen, die ausgelöst werden, wäre die Wirkung längerfristig groß. Im Sinne der Fairness wäre es jedoch wichtig, letztlich alle Sektoren einzubeziehen. Zunächst könnte man durchaus mit Übergangsfristen arbeiten, wenn man davon ausgeht, dass die Wettbewerbsnachteile ansonsten zu groß wären. In Schweden hat man das gemacht. Dort ist die CO2-Steuer 1993 eingeführt worden, für die Industrie aber erst später gekommen.
Vor diesem Hintergrund gibt es auch die Forderung, eine CO2-Steuer nur europaweit oder zumindest mit ein paar anderen Ländern einzuführen.
KOCHER Die Forderung, eine CO2-Steuer nur europaweit einzuführen, entspringt eher einer Abwehrstrategie. Es ist unrealistisch, dass das kommt. Aber es spricht sehr viel dafür, sich mit Ländern wie Deutschland oder Italien abzustimmen, die wichtig für uns sind. JOH
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