Peter Schröder

Kommentar

Peter Schröder

Der Snowden-Verrat

Politik / 22.09.2019 • 18:59 Uhr / 3 Minuten Lesezeit

Menschen in Not zu helfen, wird weithin als noble Pflicht empfunden. Hilfe, welcher Art auch immer, zu verweigern, gilt als weniger edel. Ein solches Opfer einer ziemlich weltweiten Hilfeverweigerung lebt seit sechs Jahren in Moskau. Und sieht dort einem ungewissen Schicksal entgegen, das in den Vereinigten Staaten mit einem Todesurteil enden kann.

Das Opfer heißt Edward Snowden. Es ist der ehemalige Mitarbeiter des amerikanischen Geheimdienstapparats, der 2013 die nach den Gesetzen vieler Staaten der Welt illegalen, verbotenen und zutiefst amoralischen weltweiten Schnüffelpraktiken, das Aushorchen und Überwachen nahezu aller Menschen durch US-Geheimdienste offenbarte. Ein Mann, der verachtenswerte Freiheitsbeschneidungen und das Anhäufen eines US-amtlichen Arsenals für Erpressungen und anderes Ungemach für friedliebende Mitmenschen an die große Glocke hängte. Und auch ein Mann, der eine Lanze für die Freiheit brach, der die Täterorganisation zu einer Einschränkung ihrer Praktiken zwang, und der womöglich Leben rettete.

Für seine Gewissenshandlung wird der Amerikaner Edward Snowden seitdem von den US-Behörden gejagt und verfolgt. Die US-Justiz will ihn für seinen “Verrat von Staatsgeheimnissen” zur Rechenschaft ziehen. Bei einem solchen Prozess droht ihm letztlich die Todesstrafe. Dieser Strafverfolgung hat sich Snowden vor jetzt mehr als sechs Jahren durch Flucht entzogen. Asyl fand er schließlich in Russland, einem Land der beschränkten persönlichen Freiheiten, dessen Regierungspraktiken er kritisiert, in dem er aber vor amerikanischen Entführungsgehilfen einigermaßen sicher ist.

Die Asylzusage endet jedoch in wenigen Monaten. Wie schon seit 2013 bemüht sich Snowden jetzt wieder um Asyl in einem wirklich freiheitlichen Land, beispielsweise in westeuropäischen Ländern einschließlich der Mitgliedsstaaten der EU. Doch unbeirrt lehnen die Regierungen all dieser Länder sein Asylbegehren ab. Obwohl ihre eigenen Gesetze sie zu dieser Nothilfe verpflichten. “Diplomatische Gründe” sprechen dagegen heißt es: Das ist im Klartext der Kotau vor einem irrationalen US-Präsidenten, die Angst der das Hohelied der Freiheit singenden Regierungspolitiker vor Washingtoner Vergeltung. Und es ist nichts anderes als Beihilfe zur Verfolgung eines Freiheitsbewahrers.

Dabei gibt es europäische Hilfswillige wie die französische Justizministerin Nicole Belloubet und Natalie Loiseau, die Vorsitzende der “En Marche”-Partei des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Zwei mutige Frauen, die gleich darauf von Außenminister Jean-Ives Le Drian zurückgepfiffen wurden. Und wo ist der Aufschrei? Undank, so scheint es, ist wohl wirklich der Welten Lohn.

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