Ministerin Köstinger: “Breitbandausbau ist Überlebensfrage”

Bundesministerin Elisabeth Köstinger will Saisonnierkontingente anpassen und bäuerliche Familienbetriebe entlasten.
Schwarzach Elisabeth Köstinger, Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus, spricht im VN-Interview über die Zukunft der Landwirtschaft, 5G-Ängste und den Ruf des Tourismus.
Sie haben im Ressort Nachhaltigkeit und Tourismus sehr viele Bereiche vereint. Wo setzen Sie da Ihre Prioritäten?
Das ist eigentlich sehr einfach. Mein Ressort dient dem ländlichen Raum und den Regionen. Wir vereinen Landwirtschaft und Tourismus und sind jetzt auch für den Breitbandausbau zuständig, also etwas, das zu einer Überlebensfrage im ländlichen Raum wird. Die Datennetze sind die Güterwege des 21. Jahrhunderts. Durch die Infrastruktur wird es für viele Junge, für Unternehmen und die Industrie möglich sein, nicht nur in Ballungszentren, sondern auch im ländlichen Raum zu wirtschaften. Somit sind wir ein absolutes Zukunftsressort.
Wo sehen Sie die vordringlichsten Aufgaben in der Landwirtschaft?
Mir geht es darum, dass unsere bäuerlichen Familienbetriebe eine Zukunft haben. Die Industrialisierung in der Landwirtschaft schreitet immer stärker voran. Es gibt überall einen Fleck auf der Welt, wo man billiger und schneller produzieren kann als in Österreich. Wir wollen einen anderen Weg gehen. Ich sehe den Fokus sehr stark in der Qualitätsproduktion und der Entlastung bäuerlicher Familienbetriebe. Der Druck ist enorm, die Preise sind nach wie vor sehr niedrig, besonders im Fleisch- und Milchbereich. Wenn die Bauern überleben wollen, braucht es eine spürbare Entlastung. Das wird unser Ziel auch in der Steuerreform sein. Es wird zudem extrem wichtig sein, eine Herkunftskennzeichnung für Lebensmittel einzuführen.
Wie können Sie Vorarlberg bei der Frage der umstrittenen Kälbertransporte unterstützen?
Der Bereich des Tierschutzes ist nach wie vor im Gesundheitsministerium angesiedelt, fällt also nicht primär in meine Zuständigkeit. Wir sind trotzdem in sehr engem Kontakt, weil es die Regionen bzw. die Bauern betrifft und versuchen, eine gute Lösung mit der Europäischen Union zustandezubringen.
Im Zusammenhang mit der Post klagen die Leute nach wie vor über Zustellmängel. Was gedenken Sie, dagegen zu unternehmen?
In dieser Ausprägung habe ich, ehrlich gesagt, die Kritik noch nicht gehört. Ich glaube, dass Post und Telekom in den vergangenen Jahren verstärkt auf Serviceorientiertheit Wert gelegt haben. Die Post hat vor allem im ländlichen Raum einen hohen Stellenwert. Wir sehen natürlich auch, dass gerade bei der Paketzustellung viele andere Dienstleister in den Markt drängen. Da gilt es, einen Servicevorsprung zu wahren. Wenn es aber konkrete Fälle von Zustellmängeln gibt, schaue ich mir die gerne an und versuche, mit den Verantwortlichen Verbesserungen zu erzielen.
Gegen das geplante 5G-Netz gibt es auch Vorbehalte, weil die Bevölkerung noch mehr Strahlung fürchtet.
Wir nehmen die Sorgen und Bedenken der Bevölkerung sehr ernst und versuchen, auch immer auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand zu sein, und bisher ist eigentlich alles sehr positiv. Wir sollten der Wissenschaftsfeindlichkeit keinen Vorschub leisten. Sollte es in irgendeiner Art und Weise zu Studien kommen, die seriöser irgendwelche Beeinträchtigungen nachweisen, werden wir dem sofort Rechnung tragen. Das ist aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht der Fall.
Stichwort Klimaschutz: Wie wollen Sie sich in Ihrem Ressort zu diesem Thema einbringen?
Die Landwirte sind auch Energiewirte. Speziell die Forstwirtschaft leistet einen enormen Beitrag zur Energieerzeugung in Österreich. Da spielt die Biomasse eine entscheidende Rolle. Ich sehe sehr viel Potenzial auch im erneuerbaren Gas. Hier kann die Landwirtschaft in Zukunft ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Wir wollen weg von fossilen Energieträgern hin zu erneuerbaren, und das geht nur Hand in Hand auch mit einer produzierenden nachhaltigen Landwirtschaft.
Vonseiten des Tourismus gab es viel Lob für das Regierungsprogramm. Was ist aus Ihrer Sicht der größte Wurf?
Der große Wurf ist uns ehrlicherweise 2017 gelungen, als wir den Tourismus aus dem Schattendasein im Wirtschaftsbereich geholt haben. In den Jahren zuvor war die Branche oft der Prügelknabe der Politik. Sei es mit der Allergenkennzeichnung, Raucherregelung oder Registrierkassenpflicht. Wir haben die Mehrwertsteuer gesenkt und sind viele Reformen angegangen. Die Tourismusstrategie soll dafür Sorge tragen, dass man vom Abfeiern von Nächtigungsrekorden wegkommt, denn sie sagen nichts darüber aus, wie es der Branche wirklich geht. Im Regierungsprogramm ist es uns gelungen, das fortzuschreiben.
Plattformen wie Airbnb standen vor allem bei Tourismusbetrieben immer stark in der Kritik. Künftig müssen Buchungen und Umsätze gemeldet werden. Private Vermieter müssen sich registrieren. Welchen Effekt erwarten Sie sich dadurch?
Wir wollen gleiche Wettbewerbsbedingungen. Es geht nicht darum, Airbnb zu verunmöglichen, sondern darum, eine Waffengleichheit herzustellen.
Vielen heimischen Hoteliers verursachte die Saisonnierverordnung regelmäßig Bauchschmerzen. Nun soll es eine bedarfsgerechte Anpassung geben. Was bedeutet das konkret? Kann Vorarlberg künftig mit mehr Großzügigkeit rechnen?
Wir werden uns das sehr genau anschauen. Der Arbeitskräftemangel ist vielerorts existenzbedrohend geworden. Es wird aber ein gesamtes Maßnahmenpaket brauchen. Zum einen das Saisonnierkontingent, aber wir müssen auch über Zumutsbarkeitsbestimmungen diskutieren. Wir hatten in der vergangenen Wintersaison in Wien die gleiche Anzahl an arbeitssuchenden Köchen, als der Rest Österreichs gebraucht hätte. Bei alleinstehenden Personen spricht nichts dagegen, für einen gewissen Zeitraum in Vorarlberg zu arbeiten. Das muss man aber mit Augenmaß machen.
Der heimische Tourismus ortet ein starkes Vorantreiben von Großhotels, die von internationalen Investoren finanziert werden. Sehen Sie die Gefahr, dass kleinere, familiengeführte Hotels nicht mehr mithalten können?
Ich sehe das schon sehr kritisch. Wir kennen das Phänomen auch aus der Landwirtschaft, wo immer mehr Handelskonzerne beginnen, ihre Produkte selbst zu produzieren. Was es braucht, sind Strategien. Das kann man am besten vor Ort lösen. Da haben das Land und die Gemeinden bezüglich Widmungen sehr viel in der Hand.
Das Interview führten Marlies Mohr und Hanna Reiner.

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