Warum eine Einigung auf das mehrjährige EU-Budget so schwierig ist

Sondergipfel: Die Suche nach einem Kompromiss geht in die nächste Runde.
brüssel Am Donnerstag findet der Sondergipfel zum EU-Haushalt für die Jahre 2021 bis 2027 statt. Eine Einigkeit ist nicht in Sicht. Die Nettozahler-Allianz aus Österreich, den Niederlanden, Schweden und Dänemark pochte zuletzt auf eine deutliche Begrenzung der Ausgaben und stellt sich gegen die EU-Kommission und gegen viele andere EU-Länder. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat in der Vergangenheit mit einem Veto gedroht. Zwar signalisierte er mittlerweile eine etwas flexiblere Haltung. Doch wäre Österreich tatsächlich in der Lage, das mehrjährige EU-Budget zu blockieren?
Komplizierte Verhandlungen
Mit dem Finanzrahmen wird festgelegt, wie viel Geld die Europäische Union in sieben Jahren für verschiedene Ausgaben maximal ausgeben darf. Die Verhandlungen sind kompliziert, da nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs einer der größten Nettozahler wegfällt. Prinzipiell gilt, dass die Kommission einen Vorschlag für eine neue Verordnung zum mehrjährigen Finanzrahmen präsentiert. Er dient als Grundlage für die Verhandlungen im Rat. Der Rat – also die Mitgliedsstaaten – muss die Verordnung annehmen. Dafür sieht der EU-Vertrag Einstimmigkeit vor. Das heißt, dass tatsächlich jedes einzelne Land grünes Licht geben muss. Doch auch das EU-Parlament hat ein Wörtchen mitzureden. Billigt die Mehrheit der Abgeordneten den Standpunkt des Rates nicht, kann er nicht beschlossen werden.
Die Kommission tritt für einen Beitrag der Mitgliedsstaaten in der Höhe von 1,114 Prozent der Wirtschaftsleistung ein und argumentiert mit neuen Aufgaben, die sich in Sachen Digitalisierung, Migration, Sicherheit oder Klimaschutz ergeben. Das Europaparlament plädiert sogar für 1,3 Prozent. Die Nettozahler-Allianz will nicht mehr als ein Prozent der Wirtschaftsleistung geben. Andere Mitgliedsstaaten fürchten um mögliche Kürzungen, etwa bei den Zahlungen, mit denen wirtschaftlich schwächere EU-Staaten gefördert werden.
Kurz moderater
Der Politologe Andreas Maurer erläutert im VN-Gespräch, dass schon bei einem finnischen Kompromissentwurf, der einen Beitrag von 1,07 Prozent vorsah, mit Einschnitten in vielen Bereichen zu rechnen wäre, etwa bei der Kontrolle der EU-Außengrenzen oder Sicherheit und Verteidigung. Ratspräsident Charles Michel hat nun alle Hände voll zu tun, um eine Einigung unter den Staaten auszuloten. In der Vorwoche legte er einen neuen Vorschlag auf den Tisch, bei dem es sich um eine Weiterentwicklung des finnischen Entwurfs handeln soll. Demnach beträgt der Beitrag 1,074 Prozent der Wirtschaftsleistung. Ob sich Michel damit durchsetzt, steht in den Sternen. Mehrere Minister der EU-Staaten forderten am Montag Nachbesserungen. Zumindest Kurz hatte sich zuletzt moderater gegeben und von einem Verhandlungsspielraum „irgendwo zwischen einem und 1,11 Prozent“ gesprochen. Der Kanzler beharrt allerdings auch auf einer Fortsetzung der Beitragsrabatte im EU-Budget.
Beim ersten Land, dem ein solcher Nachlass zuerkannt worden war, handelte es sich um das Vereinigte Königreich. Mit dem Brexit sollen alle Ermäßigungen Geschichte sein, meint die Kommission. Derzeit profitieren auch die Nettozahler Deutschland, Dänemark, Schweden, die Niederlande und Österreich von Abschlägen. Daran wollen sie festhalten. Auch Michel stellte kein Ende der Rabatte in den Raum. Vorerst. Sie sollen stufenweise verringert werden. Ob ein Kompromiss zum Finanzrahmen gefunden werden kann, dürfte also auch maßgeblich mit der ungeklärten Frage zusammenhängen, wie es mit den Ausnahmeregelungen weitergehen soll.
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