EU-Finanzen sorgen für Kopfzerbrechen

Intensive Verhandlungen um das nächste Sieben-Jahres-Budget.
brüssel Im Streit um das mehrjährige EU-Budget zeichnet sich noch keine Einigkeit ab. Im Gegenteil. Heute, am Donnerstag, lädt Ratspräsident Charles Michel die Staats- und Regierungschefs zu einem Gipfeltreffen in Brüssel, um unter den Mitgliedsländern einen Kompromiss auszuloten. Es geht um die Frage, wie viel Geld die Europäische Union in sieben Jahren für verschiedene Aufgaben maximal ausgeben darf. Dass mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs einer der größten Nettozahler wegfällt, macht die Sache komplizierter als in der Vergangenheit.
Verhandlungsbasis
Beim mehrjährigen EU-Budget gilt grundsätzlich: Die EU-Kommission präsentiert zunächst einen Vorschlag für eine neue Verordnung. Er dient als Grundlage für die Verhandlungen im Rat. Der Rat – also die Mitgliedsstaaten – muss die Verordnung einstimmig annehmen. Gleichzeitig braucht es auch grünes Licht vom Europaparlament. Die Kommission trat für einen Beitrag der Mitgliedsstaaten in der Höhe von 1,114 Prozent der Wirtschaftsleistung ein. Das Parlament forderte sogar 1,3 Prozent. Einigen Mitgliedsstaaten, darunter Österreich, geht das viel zu weit. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) drohte bereits mit einem Veto gegen den Kommissionsvorschlag. Ratspräsident Michel legte vor Kurzem einen Kompromiss vor: Das Volumen soll bei 1,074 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen. Was nach geringfügigen Unterschieden klingt, täuscht: Es geht um Milliardenbeträge.
Nettozahler
Österreich, Dänemark, die Niederlande und Schweden haben sich zur sogenannten Nettozahler-Allianz zusammengefunden. Sie fordern, dass das EU-Budget auf ein Prozent des Bruttonationalprodukts (BNP) begrenzt werden soll und pochen auch auf eine Fortsetzung von Rabatten. Durch diese Nachlässe sind ihre Beiträge bisher gesenkt worden. Mit dem Brexit stehen sie aber zur Diskussion. EU-Ministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) erklärte zuletzt, der Vorschlag Michels gehe in die richtige Richtung. „Der Druck aus den Nettozahler-Ländern hat offenbar gefruchtet.“ Auch der große Nettozahler Deutschland will grundsätzlich an der 1,0 Prozent-Begrenzung festhalten. Finanzminister Olaf Scholz signalisierte aber Gesprächsbereitschaft. Den Vorschlag des Ratspräsidenten bewertete er kritisch. Er konzentriere sich zu wenig auf Zukunftsthemen, meint der Minister. Zudem fehle ein wirksamer Sanktionsmechanismus gegen Staaten, die es mit demokratischen Werten nicht so genau nehmen. Frankreich stören insbesondere die vorgesehenen Kürzungen bei den Agrarhilfen. Als einziger Nettozahler fordert es ein Ende aller Beitragsrabatte. In Michels Vorschlag ist eine stufenweise Verringerung der Abschläge vorgesehen.
Freunde der Kohäsion
15 Mitgliedsstaaten haben sich zur Gruppe „Freunde der Kohäsion“ zusammengeschlossen. Sie profitieren besonders stark von den Hilfszahlungen für strukturschwache Regionen. Damit zielt die Kohäsionspolitik auf die langfristige Angleichung der Lebensverhältnisse in der EU ab. An der bisherigen Finanzierungshöhe bei den Regionalhilfen dürfe nicht gerüttelt werden, fordern die Kohäsionsfreunde. Sie wollen außerdem ein Ende der Beitragsrabatte für die Nettozahler.
Europaparlament
Gegen den Michel-Vorschlag hat sich breiter Widerstand unter den Abgeordneten formiert. Das Parlament lehne den Entwurf ab, ließ das Verhandlungsteam aus den Reihen der Europäischen Volkspartei, der Sozialdemokraten, der Liberalen, der Konservativen und der Grünen am Mittwoch wissen. Die vorgesehenen Einschnitte seien nicht akzeptabel. VN-RAM
„Der Druck aus den Nettozahler-Ländern hat offenbar gefruchtet.“