Bildungsministerium: „Haben Zeugnisse zurückgeschickt“

Generalsekretär Netzer versteht die Notendebatte nicht. Den Pflichtschulen stellt er mehr Unterstützungspersonal in Aussicht.
Wien Der Protest an den Volksschulen in Lustenau und Frastanz gegen die Notenpflicht lässt das Bildungsressort weitgehend kalt. Die Schulnachrichten, die die Eltern dem Ministerium übermittelt haben, befinden sich bereits auf dem Weg zurück, berichtet Martin Netzer den VN. Der Vorarlberger ist Generalsekretär im Bildungsressort. Den Pflichtschulen verspricht er mehr Unterstützungspersonal, insofern die Länder und das Finanzministerium etwas dazu beitragen. Eine Lösung gegen den Lehrermangel werde noch gesucht.
Was ist mit den Schulnachrichten passiert, die Lustenauer und Frastanzer Eltern aus Protest gegen die Notenpflicht an das Ministerium geschickt haben?
Wir werden die Zeugnisse zurückschicken und die Schulleiter bitten, diese zu verwahren, falls die Eltern das Zeugnis dann doch noch wollen. Bei Übertritten in ein Gymnasium kann das für die Eltern wichtig sein, manche Kinder wollen vielleicht auch selber später einmal ihr Zeugnis sehen.
Verstehen Sie die Kritik an den Noten?
Die Schulen können neben den Noten alle sonstigen Feedbackmöglichkeiten eins zu eins beibehalten und weitermachen. Wir sind ja auch überzeugt davon, dass eine Note immer erklärt werden muss. Ich würde die Diskussion nur verstehen, wenn wir die Schulen vor eine Wahl, ein Entweder-Oder, stellen würden.
Die Schulnote wurde bis zur dritten Volksschule einst mit der Begründung abgeschafft, damit die österreichweit über 2000 Schulversuche ins Regelsystem überführt werden können.
Wir nehmen die Schulversuche auch ernst. Denn jetzt ist es so, dass es in der ersten Klasse Volksschule keine Note gibt, in der zweiten Klasse im Halbjahr auch noch nicht, sondern erst am Ende des Schuljahres. Während die Entscheidung noch schulautonom getroffen werden konnte, haben 75 Prozent der Schulen schon ab der dritten Klasse eine Note vergeben, weil sonst vielen Eltern in der vierten Klasse ein böses Erwachen gedroht hätte. Für das Gymnasium ist häufig schon ein Zweier ein Problem.
Wird es einen persönlichen Austausch zwischen Ministerium und den Gegnern der Notenpflicht geben?
Es macht keinen Sinn, das von Wien aus lösen zu wollen. Das ist die ureigenste Aufgabe der Bildungsdirektion. In Vorarlberg ist sie sehr bemüht und investiert viel Zeit dafür, gemeinsame Lösungen zu finden. Für uns steht fest: Ein Bundesgesetz ist ein Bundesgesetz. Und wir gehen davon aus, dass es eingehalten wird.
An Vorarlberger Schulen wird oft damit gekämpft, Schulleiter zu finden. Wie kann das Ministerium gegensteuern?
Schulleiter können sich erst auf ihre Leitungsfunktion konzentrieren, wenn sie durch ein Sekretariat unterstützt werden. An den Bundesschulen ist das bereits so. Im Pflichtschulbereich gibt es kaum oder keine Unterstützung. Wenn ein Schulleiter das Gefühl hat, dass er zu 70 Prozent Sekretariatsarbeit leisten muss – vom Klopapier bestellen bis zur Prüfung von Abwesenheiten –, ist es wenig attraktiv, den Posten zu übernehmen.
Es wird also mehr Sekretariatskräfte im Pflichtschulbereich geben?
Das ist einer der wichtigsten Punkte im Regierungsprogramm.
Wie viele?
Der Bedarf wird vermutlich nach Schülerzahl berechnet.
Wer zahlt das Unterstützungspersonal?
Es wird spannend, ob sich Bund und Länder dazu einigen. Wir werden uns ein Modell überlegen und gehen dann auf die Länder zu.
Also halbe-halbe?
Das wäre ein mögliches Modell. Wir müssen uns aber zuerst ausrechnen, wie viel Unterstützungspersonal wir brauchen. Sicher ist: Es wird um Dutzende Millionen gehen. Diese können wir aus dem Budget des Ministeriums nicht stemmen. Daher müssen wir mit dem Finanzministerium und mit den Ländern reden.
Sind die vielen Überstunden an den Vorarlberger Schulen Ausdruck eines Lehrermangels?
Teilweise sicher. Es gibt aber sicher auch viele Lehrer, die Überstunden machen wollen, um ihr Gehalt aufzubessern. Für uns als Ministerium sind die Überstunden kein Problem, weil es teurer wäre, in diesem Ausmaß zusätzliche Lehrer anzustellen. Aber ich mag den Lehrermangel nicht kleinreden. Es gibt gerade in Vorarlberg mit der Schweiz eine besonders harte Konkurrenz.
Was tut das Ministerium dagegen?
Wenn ich den Stein der Weisen gefunden hätte, hätte ich das der Bildungsdirektorin und der Landesstatthalterin längst mitgeteilt. Ich glaube, da sind wir alle gefordert. Dass man Überstunden machen kann, ist für viele sicher attraktiv, um auf ein gewisses Gehaltsniveau zu kommen; auch das neue Lehrerdienstrecht mit den höheren Einstiegsgehältern.
Die Lehrergewerkschaft hält es für problematisch, dass Quereinsteigern keine Vordienstzeiten angerechnet werden.
Das betrifft vor allem Mittelschulen und Gymnasien, wo Quereinsteiger Abschläge haben. Hier arbeiten wir an attraktiveren Modellen. An berufsbildenden Schule sind Sonderverträge für Quereinsteiger bereits üblich.
Wie sollen Quereinsteiger künftig eingestuft werden?
Man wird eine fiktive Berufslaufbahn im öffentlichen Dienst annehmen müssen und den Quereinsteiger dort einzuordnen, wo er seiner Berufslaufbahn entsprechend wäre.
Wird es für die Pädagogische Hochschule in Vorarlberg einen größeren Fächerkanon geben?
Bei allem Verständnis für Vorarlberg: Es ist bei der Größe des Bundeslandes schwierig, für alle Gegenstände ausreichend Studenten zu finden. Es ist auch gar nicht so schlecht, wenn junge Leute eine Zeit außerhalb von Vorarlberg verbringen. Wir halten es aber für einen legitimen Anspruch, dass es neben der Uni Innsbruck auch Partnereinrichtungen in Deutschland und der Schweiz geben soll. Derzeit geht das gesetzlich noch nicht.
Es wird überlegt, das Gesetz zu ändern und über die Grenze zu gehen? In Form einer Bodenseehochschule für künftige Lehrer?
Das müssen wir uns ansehen. Es bietet sich an, das in ein offizielles Gefäß zu geben und das Gesetz entsprechend zu ändern.