Wenn es ernst wird
Sorgen, die österreichische Politiker gestern hatten, wirken im Lichte des Coronavirus klein und zum Teil auch beschämend: Türkise, rote und blaue wollten das Bargeld verfassungsrechtlich absichern. Ausgerechnet diese Virenschleuder! Die ÖVP hatte zum Auftakt ihrer Zusammenarbeit mit den Grünen wiederum nichts Besseres zu tun, als über eine Ausweitung des Kopftuchverbots zu reden, um einem größeren Teil ihrer Wähler zu signalisieren, dass symbolische Mitte-Rechts-Politik fortgesetzt werde.
Und heute: Österreich befindet sich in einem Ausnahmezustand. Erkennbar etwa dadurch, dass ein vergessenes Pandemiegesetz mit weitreichenden Zwangsmaßnahmen plötzlich ein maßgebliches Regelwerk ist. Dass jede Bürgerin, jeder Bürger mit einer Art Freiheitsentzug – genannt „Hausarrest“ oder „Quarantäne“ – belegt werden kann. Dass eine Schule – wie am Mittwoch in der Wiener Albertgasse – von einem Polizei-Großaufgebot abgeriegelt wird.
Große Verantwortung
Die Politik befindet sich in einer ganz anderen Verantwortung. Natürlich: Verantwortung trägt sie sonst auch. Wenn es zum Beispiel um den Umgang mit Asylwerbern und Migranten geht. Auch damit kann sie gefährliche Stimmungen bekämpfen oder befeuern. Siehe die rechtextremen Mordanschläge in Deutschland.
Beim Coronavirus sind alle 8,9 Millionen Menschen, die in Österreich leben, potenzielle Opfer. Ganz egal welcher Hautfarbe, Konfession oder Einstellung. Und auch wenn die Überlebensrate Infizierter mehr als 97 Prozent beträgt, bleibt eine ganz grundsätzliche, existenzielle Beunruhigung.
Politiker sind unter diesen Umständen in einer Art und Weise gefordert, wie sie es nur alle zehn, 20 Jahre sind. Bei der letzten Finanzkrise beispielsweise, bei der die Möglichkeit im Raum stand, dass alles Geld verloren ist und die Wirtschaft (mitsamt Hunderttausender Arbeitsplätze) kollabiert. Erst die Garantie der deutschen und später der österreichischen Regierung, Spareinlagen zu sichern, sowie die spätere Zusage der EZB, alles Nötige zum Erhalt des Euro zu tun, haben zu einer Beruhigung geführt.
Schmaler Grat
Freilich: Der Grat ist schmal für Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), die nun in der ersten Reihe stehen. Bilder aus Besprechungsräumen, die an Kriegsfilme oder echte Szenen aus dem Bunker des Weißen Hauses erinnern, können leicht als billige Inszenierung rüberkommen. Motto: Hier will sich jemand wichtig machen. Anderseits: Die beiden dürfen sich nicht verkriechen. Sie sind für das Krisenmanagement zuständig, haben einzigartige Möglichkeiten, sich an alle zu wenden. Und sie müssen diese Möglichkeiten auch nutzen, um ständig zu kommunizieren, wie es um die Bedrohungslage bestellt ist und was alles getan wird. Daraus könnte ein entscheidender Beitrag zur Beruhigung werden.
„Sorgen, die Politiker gestern hatten, wirken im Lichte des Coronavirus klein und beschämend.“
Johannes Huber
johannes.huber@vn.at
Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.